Bevor sich die Pforten der Geheimnisse eröffnen, muss der Werdegang zur Weisheit seinen Anfang nehmen. Wendet sich der Wissensdurstige der initiatischen Alchemie zu, sieht er sich in Begegnungen besonderer Art geführt und darf grundlegende Thesen im Vorhof des Tempels verinnerlichen. In der Tafel Arma Artis wird erfasst, was Sonne und Mond in der Tradition bedeuten, welche Werkzeuge es gibt und wofür sie eingesetzt werden. Der Hermaphrodit mit der Phiole fordert auf, mutig in die Mysterien hineinzuschreiten, und der Meister der Separatio scheidet das lunare und das solare Bewusstsein voneinander. Die Miniatur König und Königin schenkt eine Verfeinerung der Erkenntnis durch die Identifikation mit Anima und Animus im eigenen Innern.

Im Schatten tragender Säulen entzünden sich sieben Fackeln der Einsicht, um den Hintergrund des Daseins zu erhellen. Der Mensch sollte, wie schon der Volksmund verkündet, alle sieben Sachen beisammen halten, also in sieben verschiedenen Qualitäten der Schöpfung bewandert sein. Versagt er darin, bekommt er Schritt für Schritt aufgebürdet, damit umgehen zu lernen und nennt diesen Vorgang Schicksal. Als Adept lernt man das Zitat des Dichters verstehen: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum." (Goethe) Wer diese sieben Pforten durchschreitet, fügt dem Intellekt, der heute als Maßstab aller Dinge gilt, eine unbekannte Dimension hinzu, die sich nur noch in Gleichnissen weitergeben lässt, da sie sich dem physikalischen Verstand vollends entzieht und in dem großartigen Gefühl des Getragenseins von einer höheren Ordnung gipfelt.

Alle sieben Gleichnisse des Heiligtums unterhalten eine Verbindung zu jeweils einer Phiole in der Krypta. Was die Adepten an Riten ausführen, was sie denken, was sie wissen, all ihr Trachten steht oben im Heiligtum geschrieben. Aber hier unten in der Krypta, in den hermetisch verschlossenen Phiolen, dringen die äußeren Erfahrungen in die Seelenperson vor, verwandeln und eröffnen den Blick in Bereiche jenseits des Persönlichen. Der Gewinn liegt in der Ausdehnung des Subjektiven. Der Adept verlässt die Enge seiner Weltanschauung und meistert entspannt die irdischen Zwänge, ohne sich zu sehr zu verwickeln. Mit erhobenem Antlitz wächst er zu Heldentaten heran, spiegelt sich in großen Legenden wider und wendet sich offenen Herzens philosophischen Strukturen zu. 

Der Adept wird an vier Stationen geführt. Die Schwarze Sonne berührt das Geheimnis des Elementes Erde. In der Tafel mit den spielenden Kindern drückt sich die Wärme und die Heiterkeit des Feuerelementes aus. Die initiatische Alchemie ermöglicht die brüderliche Offenheit und das Fallenassen aller Masken. Immer wenn es Abend wird, kommt die Stunde des Elementes Wasser und die Nachtmeerfahrt beginnt. Die Wäscherinnen des westlichen Altars führen die Adepten in die Unterwelt, wo diese ihre Schatten reinigen. In der letzten Tafel strahlt alles bisher Erfahrene als goldener Sonnenglanz. Erhabene Seligkeit leuchtet jedem Mysterienwanderer aus dem Osten entgegen. Diese im Innern erwachte Welt bleibt in der zeitlosen Seele bestehen, und dafür werden immer wieder Symbole im Außen geschaffen, die ein solches Mysterium in Formen gießen. Eine dieser Formen sind die 22 Miniaturen des Splendor Solis.