Nomen est omen – Die Bedeutung der Vornamen
Wer kennt nicht das Spiel für Kinder, in dem man ein Versteck mit Hilfe der Worte „heiß“ und „kalt“ errät. Entfernt sich der Sucher von dem Ziel, sagt man: „Kalt, noch kälter“, befindet er sich auf dem richtigen Weg, ruft man ihm zu: „Wärmer, noch wärmer, heiß, ganz heiß!“Ähnliches gilt auch für den eigenen Namen, denn auf seinen Wegen gelangt man wahrlich auf eine heiße Spur – heißt man doch so! Begibt man sich auf die Suche nach der eigenen Lebensaufgabe, gilt es primär die Symbolik seines Vornamens zu entschlüsseln. Der Familienname gehört einer ganzen Sippe an, benennt demnach eher übergeordnete Charakterzüge. Darum sollte vor allem der Vorname jedem an das Herz wachsen; schließlich kann ein individueller Familienspross erst unter dieser Signatur seine ganz persönliche Flagge „heißen“ bzw. neudeutsch: hissen.
Gemäss des Pars pro toto – Gesetzes (im Teil ist das Ganze enthalten) bietet der Vorname des Menschen ein breites Spektrum für die Erlangung der Selbsterkenntnis. In der Bedeutung des Namens schlummern wichtige Informationen, die den Lebensauftrag des Einzelnen offenbaren, weshalb wir hier die ersten Schritte in die verzweigte Landschaft der Namensdeutung wagen wollen. Die Qualität der Vornamen zeigt sich in ihrer Herkunft, in der Symbolik einzelner Buchstaben und in den Mythen von Namenspatronen. Astrosophische und kabbalistische Schlüssel zeigen zusätzlich wunderbare Zusammenhänge auf. Die Besonderheiten des eigenen Weges werden erkannt, und das innere Wesen nahestehender Menschen eröffnet sich wie eine Blume im Licht des hellen Tages – nomen est omen!
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – so lautet der Jubelruf, der täglich unzählige Personen beglückt. Mit der Menge von Geburtstagskuchen, die damit einhergeht, lässt sich das Leben versüßen. Geburtstagsfeste fügen der grauen Alltäglichkeit blühende Besonderheiten hinzu und stehen deshalb bei vielen hoch im Kurs. Das Heim wird geschmückt und verziert, und die schönsten Göttinnen rauschen genießerisch in pastellfarbenen Gewändern auf blütenfrischen Duftwolken herein. Ganz in den Labsalen des Leiblichen versunken, merken es Aphrodite, Selene und Hera nicht einmal, wenn Athene und Hekate es vorziehen, der Feier fernzubleiben. Athene, die Göttin der Weisheit, sieht in dem irdischen Geburtstagskult eine sinnlose Zeitverschwendung, aus ihrer Sicht dürften Feste eigentlich ausschließlich zum Zwecke der Huldigungen an Göttervater Zeus gefeiert werden. Während sich die anderen Damen festlich schmücken, rückt die Geharnischte nur flink ihren Brustpanzer zurecht, zückt Lanze und Schild und begibt sich eilends auf den Weg, einem solaren Helden hilfreich zur Seite zu stehen. Für Hekate stellt es sogar ein Unding dar, die Geburt des Menschen in den Stoff zu feiern, weiß sie sich doch als dunkle Göttin eher dem Abnehmen diesseitiger Freuden verpflichtet. Zudem liegt es in Hekates Aufgabenbereichen, jeden Menschen von Zeit zu Zeit an die elementareren Dinge seines Unbewussten zu erinnern und ihren Finger in die Wunde der Unterlassungsschulden zu legen. Mit diesem Unterfangen wäre Hekate ein unbeliebter Gast in den seichten Gewässern äußerer Unterhaltung, weshalb es natürlich besser ist, sie erscheint gar nicht erst auf Geburtstagspartys; zumal sie in ihren schwarzen Gewändern stets zwei Dolche verbirgt, ganz zu schweigen von den giftigen Schlangen und scharfen Wolfshunden, in deren Begleitung sie sich befindet.
An dem Beispiel der Göttinnen wird deutlich, nicht alle Anteile des menschlichen Wesens haben Lust, den Gedenktag der stofflichen Geburt mit nach außen gerichteten Erdriten zu begehen. Wer bereits sein Horoskop kennt, weiß auf einer tieferen Schicht des Bewusstseins um die symbolische Bedeutung des ersten Atemzugs, sieht also in dem Geburtsereignis eher die Signatur seiner Lebensaufgabe und versucht Jahr für Jahr dieses mitgebrachte Muster intensiver zu verinnerlichen und mit Weisheit in die Form zu gebären. Dann mag es sein, es wird am Geburtstag als wesentlich angenehmer empfunden, über die kommende Zeitqualität zu meditieren, als den Prosecco knallen zu lassen. Sieht man sich in den verschiedenen Völkern und Kulturen um, so ist es durchaus nicht immer der Geburtstag, dem eine großartige Beachtung zuteil wird. In überwiegend katholischen Bezirken feiert man auch heute noch häufiger den Namenstag. Die Bedeutung des Vornamens lässt sich dabei im Reigen der Heiligen stets finden, da praktizierende Christen ihren Kindern immer entweder den Namen eines Heiligen, eines Apostels oder eines Erzengels verleihen. Früher war es sogar üblich, den Geburtstag mit dem entsprechenden Patron abzustimmen. Der Name wurde nicht von den Eltern nach ihrem Gutdünken ausgewählt. Man suchte ihn nicht unter den Berühmtheiten aus Film, Funk, Fernsehen, Klatschpresse oder Fußballclub. Es war also nicht wichtig, ob er gerade „in ist“ oder hübsch klingt. Der Name fand seine Prädestination durch den Tag der Geburt, gerade so, als hätte der neue Erdenspross diesen Namen selbst ausgewählt, um die erhabenen Qualitäten des Schutzheiligen im eigenen Leben heranreifen zu lassen. Auf diese Weise stellte man dem Kind eine höhere Kraft als die der Eltern an die Seite und zeigte damit an, dass es Seelenanteile im Menschen gibt, die nicht von dieser Welt sind und sich deshalb dem Zugriff der persönlichen Umgebung entziehen. Für die irdischen Belange gab es Mutter und Vater, die religiöse Hingabe und das Streben nach höheren Idealen jedoch, wohnte in den wallenden Gewändern der Namenspatrone.
Hierbei gilt zu beachten, die Heiligen werden nur in der Volkstümlichkeit als individuelle Personen betrachtet, aus esoterisch-klerikaler Sicht hingegen handelt es sich bei ihnen um Glieder am Leibe Christi, sprich: in die Form emanierte Prinzipien Christi. Zu Ehren der Heiligen erklingt darum auch das Lied: Wir wollen den König der Könige anbeten, den Herrn, denn er ist der Kranz aller Heiligen. Wem fällt bei diesem Bild nicht sogleich auf, wie sich hier die antike Lehre der Urprinzipien, das senkrechte Denken in Analogien, in die christliche Tradition einschleicht; wie sehr die Astrologie auch verteufelt werden mag, über die Heiligen platzieren sich die Urprinzipien in dem Reigen des Kirchenjahres und bilden ihren eigenen Kreis, wie der Zodiak mit seinen verschiedenen archetypischen Kombinationen, die im persönlichen Horoskop zum Ausdruck kommen. In diesem Sinne lässt sich auch die Gemeinschaft der Heiligen wie ein mantisches Orakelsystem betrachten, das zu einem geheimnisvollen Spiegel werden kann, in dem die verborgenen Schichten kosmischer Aufträge sichtbar werden.
Die Mythen der Schutzheiligen
Ein Kind, dem nie Märchen
(Anm: und Mythen) erzählt worden sind,
wird ein Stück Feld in seiner Seele haben,
auf dem in späteren Jahren
nichts mehr angebaut werden kann.
Keine andere Dichtung versteht
dem menschlichen Herzen so feine
Dinge zu sagen wie das Märchen.
Johann Gottfried Herder
Mit der Legende seines Namenspatrons kann der selbstverantwortliche Erwachsene eine verborgene Bewusstseinsschicht für sich enthüllen. Die Schutzheiligen gleichen Sendboten einer erhabenen Erkenntnis, sie stellen ein wichtiges Siegel an dem Buch des Schicksals dar, das es mit Weisheit zu brechen gilt. Kennzeichnend in diesen Mythen sind solche Tugenden wie Loyalität dem Allgeist gegenüber, Aufrichtigkeit in der Seele und materielle Opferbereitschaft zugunsten höherer Welten. Es geht dabei stets darum, einem kleinen, sterblichen Weltbild zu entrinnen und das größere und ewige Sein dafür zu gewinnen. Freilich ist es wichtig, die teilweise sehr dichten, meistens sogar leidvollen Lebenswege von Märtyrern und Heiligen in das kleine Leben des Menschen zu übersetzen. Legenden und Mythen arbeiten auf der Symbolebene und erzählen gleichsam Märchen für Erwachsene, die einen machtvollen Entwicklungsschub bewirken können. Auch für die Kinder sind es gerade die schlimmen Erlebnisse, die das erwünschte Therapeutikum im Märchen darstellen. Erfasst das Kind damit doch auf der Bildebene frühzeitig das Prinzip des Leidens, das ihm auch sein Schicksal einmal bereiten wird. Später vermag sich der Erwachsene unbewusst daran zu erinnern, wie Hänsel und Gretel das Fürchterliche gemeistert haben, und macht sich ebenso daran, sein Problem anzupacken. Fehlen einem Erwachsenen die überwundenen Katastrophen im Märchen, weil die antiautoritäre Kinderladenmutter die Kinderseele davon verschonen wollte, bedarf das nunmehr schon in den Dreißigern angekommene Kind der psychologischen Unterstützung auf dem individuellen Leidensweg. Mit ein wenig Geschick gelingt es dann vielleicht dem Psychologen, den Patienten über Gleichnisse in die Selbstverantwortung einzufädeln – und Gretel schiebt beherzt die Hexe in den Ofen, was so viel heißt wie, der Mensch beschwert sich nicht mehr über sein Schicksal, er findet in sich selbst ausreichend Mut, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Sogar in der Verbindung von Familienname und Vorname liegen aufschlussreiche Geheimnisse verborgen, die sich finden lassen, sobald das Wissen um die Herkunft der Wortstämme sich mit einer gewissen Phantasiebegabung paart. Wenn z.B. jemand „Anna Rucksack“ heißt, so ließe sich darin unter anderem ablesen, dass die von Gott Begnadete (=Anna) ihr Lebensgepäck auf den Rücken laden möchte, um die irdische Welt unabhängig von einem festen Standpunkt zu erkunden. Die Anlage des Charakters, das mitgebrachte Material, könnte demnach religiös und schwärmerisch sein, die Durchführung, das Verhalten, jedoch eher erdgebunden und neugierig.
Aus einer metaphysischen Sicht gibt es keinen Zufall, und ebenso wie man nicht behaupten kann, das Geburtshoroskop sei zufällig so oder so ausgefallen, sollte man dem Auftrag im eigenen Vornamen nicht davonlaufen, indem man die getroffene Wahl allein den Eltern unterschiebt. Der Name existiert bereits vor der Erscheinung der Person, denn auch hier gilt: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Bildlich könnte man sich vorstellen, wie die inkarnierende Seele das Bewusstsein von Mutter und Vater umweht und sie zu dem richtigen Vornamen inspiriert. Dieser Name soll das machtvolle Mantra sein, das als verheißungsvoller Vorbote den Lebensweg der verkörperten Seele begleitet; Jahr für Jahr muss der Mensch mehr und mehr in jenem Symbolspektrum ankommen, das wie eine geheime Melodie in seinem Namen schwingt. In jedem Namen verbergen sich Buchstaben, Silben, Zahlen, Mythen und Symbole, die dem einzelnen jene Rolle verdeutlichen, welche er auf seiner ganz speziellen Lebensbühne spielen möchte. Nomen est omen heißt ja: Der Name ist ein Zeichen. Dies bedeutet Name und Zeichen sind eins. Damit sieht man in dem Zauberwort des Namens einen wichtigen Erfüllungsgehilfen des Schicksals.
Mediterrane und hebräische Namen folgen anderen Vorlieben als Nordische Namen
Liebe Leser, schauen Sie sich einmal in dem weiten Feld der Vornamen um, dann bemerken Sie sogleich eine recht auffällige Unterteilung: Südliche und die nordische Namensstämme! Da gibt es zunächst die erste Gruppe biblisch geprägter Namen, die häufig hebräischen, lateinischen oder griechischen Ursprungs sind, wie z.B. Michael, Thomas, Elisabeth, Raphael (hebr.), Christian, Martin, Constanze, Silvia, Angela (lat.) und Peter, Monika (grch.). Diese Gruppierung wurzelt in dem sonnigen Boden südlicher Landschaften, wodurch sich mediterrane Assoziationen zu den Namen ergeben. Man erwartet bei solchen Namensträgern zurecht goldbraun gelocktes bis schwarz glänzendes Haar, eine kräftige, sonnengewöhnte Haut von oliv farbiger Grundierung, weniger praktische und wärmende, dafür aber um so schmückendere Gewänder und einen freudigen, offenen Gesichtsausdruck. Außerdem unterstellt man den Sonnenabkömmlingen intuitiv eine feste Verankerung in einer religiösen oder musischen Kultausübung. Doch mit den Südländern geht auch viel Allzumenschliches einher, denkt man an die übertriebene Emotionalität, die sich bis in die unkontrollierte Triebhaftigkeit steigern kann, wodurch es geschehen mag, dass überkochende Gemütsbewegungen im Schweiße der Erregung einen recht klebrigen zwischenmenschlichen Ausdruck erhalten.
Demgegenüber stellt sich die Gruppe der spröderen, kühleren Namensträger, deren Wesen eher germanische, althochdeutsche, mittelhochdeutsche und skandinavische Bilder auf den Plan rufen. Heißen die Menschen beispielsweise Odin, Gernot, Burkhart, Horst, Dieter, Erich, Walter, Sigrun, Brunhilde, Ingrid, Carsten, Elke oder Wiebke, dann erwartet man im Grunde rötliches bis blondes Haar, eine dünne, rötliche und sommersprossige Haut, die nur wenig Sonne verträgt und eine Kleidung, die überwiegend praktisch ist und mit Hilfe von Nomadenattributen wie Schals und Umhängen vor Kälte schützt. Jene Schutzbedeckungen drücken sich auch seelisch deutlich aus. Sobald es außen kalt wird, rückt man in der Familie oder in Gasthäusern zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen, gleichzeitig schirmt man sich dadurch von den anderen Mitgliedern der Sippe ab. In sonnigen Ländern findet ein Großteil des Lebens vor der Haustür statt, und was damit an gegenseitigem Austausch und seelischem Übergriff erlebt wird, reduziert sich im rauhen Norden auf das Notgedrungene. Tatsächlich vermag ein nordisch getaufter Mensch dem dichten Beieinander und Miteinander nur wenig abzugewinnen und zieht sich immer wieder auf ein saturnin klares Terrain zurück, um einen kühlen Kopf und Überblick zu bewahren. Bezogen auf die Liebesbereitschaft, liebt der Nordische keineswegs weniger. Obwohl er nicht so leichtfertig mit Liebesschwüren und Treuegelübden um sich wirft wie der Sonnentyp, kann seine stillere Liebesform sehr tief und seine Treue besonders krisenfest sein. Jedoch die sinnlichen Ergüsse und Genüsse halten sich in nördlichen Breiten auf allen Ebenen in Grenzen, ist man doch auf die eigene Vernunft angewiesen, da es unter anderem gilt, mit der Nahrung hauszuhalten, sonst überlebt man die langen Wintertage nicht. Auch die Denkstrukturen verlangen nach Konkretem und Umsetzbarem. Die Lyrik zum Beispiel, die bei den Griechen das Spiel der Lyra des Apollon mit schönen Formulierungen bereichert, steht bei den nordisch Getauften ziemlich weit hinten in ihrer Prioritätsliste. Wohingegen der Südländer eine eher gleichnishafte Wahrnehmungsstruktur aufweist und bedenkenlos des öfteren seine irdischen Pflichten vernachlässigt, wenn es ihm gerade wichtiger erscheint, seiner Liebe zu Gott oder der Welt einen schwärmerischen Ausdruck zu verleihen. Denn er weiß, morgen ist auch noch ein Tag, an dem er die Orangen ernten kann. Für den abgehärteten Germanen jedoch kann im Herbst morgen schon ein nächtlicher Frosteinbruch die Ernte verdorben haben, weshalb solche Tugenden wie Vernunft, Disziplin, Planung und Vorsorge an erster Stelle ausgebildet werden müssen.
Zusammenfassend lässt sich nun die Vermutung äußern, Menschen mit nordischen Namen seien aufgefordert, ein strebsames, nüchternes und übergeordnetes Leben zu führen; sie sollten pünktlich ihre Pflichten erfüllen und müssen lernen, Verantwortung für andere zu tragen. Stammt der Name hingegen aus romanischen oder hebräischen Wurzeln, darf womöglich eine gewisse Lässigkeit Einzug halten, denn Vergnügen, Kunst und Religion sind in der Lebensschule wichtiger als Akribie und Ernst. Doch Vorsicht! Um pauschale Vorurteile oder gar Werturteile geht es hier weniger als um das wache Hinschauen. Wenn man z.B. einem Mann mit dem mittelhochdeutschen Namen Rüdiger (der ruhmvolle Speerkämpfer) ein wenig heiliges Wissen in die Hand gibt, versuchet er stets, die damit erlangten Erkenntnisse in etwas Umsetzbares, praktisch Nachvollziehbares, Nützliches oder Gesundmachendes zu verwandeln. Jedoch ein aus der sonnigen Namensgruppe Benannter leidet unsäglich, sobald er zusehen muss, wie die Juwelen des Numinosen auf den Acker irdischer Anwendbarkeit geworfen werden. Er versteht absolut nicht, wieso dies jemand fertig bringen kann, verehrt er doch die heiligen Dinge gerade weil sie das bereichernde Gegenteil irdischer Lebensbewahrung darstellen. Hier lauert natürlich auch die Kehrseite der Medaille im Schatten. Tendiert nämlich ein südlich Getaufter zu sehr zu einem schwärmerischen Mystizissmus, so läuft er oft den irdischen Pflichten davon, und seine Weltflucht kann ihm zum Verhängnis werden. Vor allem die biblisch Getauften wollen manchmal mit Nachdruck geistiges Gut aus den Fängen der Sichtbarkeit retten und in das Hillische erheben und können sich sehr fanatisch und missionarisch gebärden, wenn ein anderer das Heilige in die Historie hinein kreuzigt. Ein mir sehr vertrauter mittlerweile transistierter Mystiker war Mitglied einer bedeutsamen Tradition der 50er Jahre, in der er den Ordensnamen Immanuel (hebr. mit uns ist Gott) trug. Er setzte zu seinen Lebzeiten alles Erdenkliche daran, den braunen Erdenkloß auf eine glühende Opferkohle zu legen. Der feine Rauch stieg auch wirklich empor, doch standen seine Füße nicht mehr gesund auf festem Boden, es fehlte ihm an den Tugenden nördlicher Gesinnung. An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig die Beziehungen beider Namensgruppen miteinander sind, können sie sich doch gegenseitig helfen, heil zu werden im Sinne der Ganzheit.
Dass die Vornamen die besagten Bewusstseinsformen nun wirklich so krass unter sich aufteilen, sollte man natürlich nicht uneingeschränkt behaupten, denn bestimmt zeigen sich die Übergänge fließend! Beobachten Sie, liebe Leser, diese Namensphänomene am besten einmal selbst in Ihrer Umgebung, und bedenken Sie dabei auch folgenden Faktor: Wie sieht es denn aus, wenn z.B. der Vorname nordisch ist, der Nachname jedoch eindeutig romanischen Ursprung aufzeigt? Malen wir uns in der Phantasie einen Mann aus, der mit vollem Namen Olaf Zacharias heißt. Mutmaßlich lebt dieser in einem inneren Konflikt. Als Olaf ist er der nordischen Ahnen Spross, und diese Qualität verlangt ihm ein kühles, berechnendes Wesen ab. Jedoch in den hebräischen Zacharias (hebr. Gott gedenkt meiner) drängt sich der Wunsch sphärischen Heimwollens. Deshalb könnte in diesem Namensträger ein Kampf zwischen Himmel und Erde toben, zwischen Gott und Mensch, aus dem er als Geläuterter und Wissender hervorgehen kann, sofern es ihm gelingt, in sich selbst den Norden und den Süden miteinander zu vermählen, sprich: sowohl geistig als auch diesseitig in bester Verfassung zu sein.
Wenn Sie Lust haben, dann beobachten Sie noch einen weiteren Fall: Stellen Sie sich ein Elternpaar vor, welche beide nordische Vornamen tragen und ebenso im Familiennamen eher germanische, altdeutsche Züge aufweisen (z.B. Wieland, Jngelmann, Rübenacker). Wenn diese nun tatsächlich überwiegend ein funktionsorientiertes, rechtschaffenes Leben führen, dann könnten sie unbewusst den Drang verspüren, ihrem Kind einen biblischen Namen zu geben. Dieser Michael oder dieser Jakob oder diese Angelika erben dann den Auftrag jener Romantik, Kunst oder Sinnsuche, die unbearbeitet in dem Schatten der Eltern liegen blieb. Und es kann nun sein, die Eltern versuchen alles, um eben gerade diesen Auftrag – dessen unablässige Erteiler sie unbewusst selbst sind – zu verhindern. Aber bereits in der Pubertät beginnt sich dann doch der Kulturkreis zu offenbaren, aus dem der Vorname entlehnt ist, und der Heranwachsende geht an die Aufgabenstellungen des Lebens wesentlich gelassener heran als seine Eltern – eben mit mediterraner Ruhe – Magnana, Morgen!