Gralsmythen
Geistige Inspiration für die Seele
Der geheiligte Gral
Die Mythen um den Heiligen Gral blühten in der Mitte des Fischezeitalters auf. Tausend Jahre nach Christi Geburt bearbeiteten gleich mehrere Dichter diesen Stoff, weshalb viele Varianten davon entstanden sind. Obwohl die Figuren rund um den Gral dem Artussagenkreis der keltischen Tradition entlehnt sind, offenbart sich im Gral eine urchristliche Thematik.
Amfortas, der Gralshüter
Der Gral stellt ein Synonym eines komplexen Mythologems dar. Manchmal ist er ein Kelch, bisweilen ein Stein. Als archaischen Vorgänger gibt es den Kessel bzw. Geburtskessel, aus dem die so genannte Zweite Geburt hervorgeht. In welcher Form der Gral auch erscheint, er vollbringt überirdische Wunder, indem er Krankes zu heilen vermag, Zerbrochenes zusammenfügt und Hungriges nährt...
Gahmuret, der Ritter ohne Treue
Gahmuret will den mächtigsten Herrscher der Welt finden und ihm als tüchtiger Ritter dienen. Er selbst ist ein Königssohn. Er trägt den Keim geistiger Verwirklichung bereits in sich, versäumt es aber, in Gott den mächtigsten Herrscher der Welt zu sehen und zieht darum in ruheloser Sucher über die Erde. Der ganze Such- und Suchtbereich gehört zu dem Begriff der Heldenreise...
Parzival, der Sohn der Witwe
In der legendären Figur namens »Parzival« offenbart sich ein Mensch, der von seinem höheren Selbst, seinem solaren Anteil, gelenkt wird. »Er trägt Manneskühnheit im Herzen«, so drückt dies Wolfram von Eschenbach aus. Im Gegensatz zu einem lunar gesteuerten Erdenbürger genügt es dem Solaren nicht, das Bewusstsein allein um Nahrungsbeschaffung und Triebbefriedung kreisen zu lassen...
Troubadoure und Tempelritter
Will man den Weg Parzivals verstehen, auf den er sich begibt, nachdem er die irdische Einöde des mutterhaften Weltbildes zurücklässt, bedarf es zunächst einer Betrachtung des Hintergrundes, vor dem sich die gesamte Legende abspielt. Freilich, ganz so leicht kann dies nicht werden, denn die Bühne Parzivals wird von dem vielschichtigen Gewebe der Mystik erzeugt...
Fürst Gurnemanz, der weltliche Lehrer
Nachdem Parzival in der festen Überzeugung lebt, mit dem Besitz der roten Rüstung bereits alles erreicht zu haben, was zum Leben eines Ritters gehört, verliert er überraschend schnell das Interesse an dem Königshof des Artus. Er reitet davon und lässt das Pferd die ganze Zeit galoppieren, gerade so wie einer, der aus seinem Inneren getrieben wird, der Erdenmutter davonzurennen...
Kondwiramur, Kriegsdienst aus Liebe
Die Weltenschule von Fürst Gurnemanz, die Parzival absolvierte, entspricht dem Tierkreis der Zwillingen. Dort erfuhr Parzival jene Erziehung, die ein Ritter benötigt, um »ohne Tadel« zu sein. Danach besitzt er Fertigkeiten in allen Disziplinen des Kampfes und weiß sich in den gesellschaftlichen Belangen adäquat zu benehmen...
Der Weg zur Gralsburg
Körperliches Leid gilt auf dem Schicksalsweg als notwendige Gelegenheit für einen Ebenenwechsel des Bewusstseins; ungeachtet des äußeren Willens zwingt das Leid zu diesem Schritt, denn es gehorcht einem inneren, wahren Willen. Leid ist auch auf dem Einweihungsweg ein unabdingbares Muss, dort kehrt das Leid in deutlich definierten Rhythmen in das Leben ein, wird gleichsam zu einer festen Rechengröße, die es stets einzuplanen, zu durchwandern und zu überwinden gilt...
Gnadengefäß auf grüner Seide
Gemäß einer uralten mystischen Überlieferung darf sich niemand aus eigenem Ermessen auferlegen, das große Werk der endgültigen Vereinigung von Himmel und Erde bzw. Gott und Shekinah von sich aus vollbringen zu wollen. Denn es heißt, Gott selbst werde am Ende der Zeiten ein Individuum für den Dienst an dieser Union auserwählen. Des Weiteren wird gesagt, es sei wichtig, dass es ein Mensch sein müsse, der zu Beginn des Weges noch nicht einmal im Ansatz eine Ahnung von seiner Mission haben dürfe, damit er unbefangen durch alle erforderlichen Prüfungen gehen könne...
Kundrie, der bittere Kelch
Zu jeder Tempelarbeit im Sinne einer Gralssuche gehören wiederholte Gelöbnisse von Treue zu geistigen Zielen und Idealen. Das ganze Erkenntnisvolumen offenbart sich nur schubweise in langsamen Schritten. Das Gefäß der Einweihung bleibt für längere Zeit hermetisch verschlossen wie eine Gebärmutter bzw. ein Vas hermeticum in der Alchemie. Wer auf der Gralssuche bereit ist, in eine weitreichende Verbindlichkeit zu gehen, traut seiner Seele die Möglichkeit zu,...
Heiliger Trevrizent
Nachdem Parzival von der Fluchbotin Kundrie im Beisein von König Artus sehr nachdrücklich für sein Unvermögen gerügt wurde, verlässt er den Hofstaat und die Rittertafel, um als Ritter durch die Lande zu ziehen. Die Aventüre berichtet, er habe zu Pferd viele Länder durchstreift, sogar zu Schiff viele Meere befahren. Aber durch die Begegnung mit Kundrie ist sein Interesse an der äußeren Welt erloschen. Wir ahnen es, er ist auf der Suche nach dem Gral, aber diesen, so heißt es, kann kein Mensch erfolgreich aufspüren, der Gral lässt sich nur durch höhere Fügung finden...