Jupiter – der gute Hirte im Horoskop

Es gibt Genies, deren Streben von der Welt verhöhnt und verlacht wird, und doch gibt es kein beneidenswerteres Los, als gerade ein solches. Denn darin liegt der höhere Beweis, dass die Welt uns nicht versteht. Und etwas zu vollbringen, das über dem Begreifen der Menge steht, das – sehen Sie! – das allein ist Größe!
Marie Corelli (1855-1924)

Verehrter Leser, wie oft haben Sie sich schon gewünscht, mitten in den ständig nachwachsenden Schwierigkeiten des Lebens einen guten Hirten an Ihre Seite gestellt zu bekommen, der Sie behutsam durch gefahrvolle Schluchten führt und Sie sicher den Gipfel einer höheren Sichtweise erreichen lässt? Da auch ich mich nach ihm sehne, streifen Sie einmal mit mir durch die Bilderwelt des Planeten Jupiter, den die Astrologen als guten Hirten bezeichnen. Wir haben ihn an unserer Seite, er steht in unserem Geburtshoroskop und wartet auf die Hand, die wir ihm entgegenstrecken, damit er uns retten kann. Es lohnt sich, die Augen für Jupiter zu öffnen und zu erkennen, in welchen Lebensbildern er unser Heil unterstützen will. Bevor man jedoch aus blindem Optimismus vor Jupiter auf die Knie fällt und ihn um Hilfe anfleht, empfiehlt es sich, die jovische Symbolik in ihrer Tragweite zu erfassen, sonst ist man nicht reif für den Hirtenstab Jupiters und erwartet den Segen auf verkehrten Ebenen.

Das Urprinzip Venus bezeichnet man gerne als das kleine und Jupiter als das große Glück. Venus bedeutet Materie, Sicherheit und Liebe, und davon kann der Mensch nie genug bekommen, weil er glaubt, ein Überangebot an solchen Venusgaben könnte seinen Hunger auf Glück für immer stillen. Darum wird der oberflächliche Astrologe auf Jupiters Füllhorn warten und sich der falschen Hoffnung anheim geben, von Jupiter materiell beschenkt zu werden, um endlich „großes Glück“ sein eigen zu nennen. Hier sei eine ernste Warnung ausgesprochen: Jupiter fordert einen Ebenenwechsel des Glücksbegriffes! Bleibt dieser Wechsel aus, erlebt man den „Segen“ Jupiters recht verhängnisvoll, mitunter sogar erschreckend. Unzufriedenheit und Schwermut befallen den Menschen bisweilen unter dem Signum Jupiters, was erst einmal ungereimt erscheint, weil das Prinzip doch eigentlich für Frohsinn und Heiterkeit steht. Am anschaulichsten wird der Ursprung jener Jupiter-Traurigkeit in den mythischen Gestalten der Kentauren, die als Symbolfiguren des Tierkreiszeichens Schütze gelten. Die Gemälde von Sandro Botticelli „Pallas Athene bändigt den Kentauren“ und „Kentaurenkampf“ von Arnold Böcklin gewähren uns Einblick in jene bittere Leidmedizin, die Jupiter dem Menschen zum Heil verabreicht.

Ein Kentaur lebt im Gebirge auf halber Strecke zwischen Himmel und Erde und hat damit das Anrecht, mit Göttern und Menschen gleichermaßen zu kommunizieren. So erlebt er sich selbst als zwiespältiges Wesen. Vom Kopf bis zur Hüfte schon im heilvollsten Sinne „wahrer Gottmensch“ und abwärts noch als Pferd an die Instinkte der Erde gebunden zu sein, dies kann den Kentauren traurig machen oder in rasende Wut bringen. Wenn die Pferdenatur in ihm überhand nimmt, donnern vier Hufe über die Lebenspfade des Kentauren, und er zerstört wutschnaubend alles irdische Glück – wie dies in der erbitterten Schlacht der Kentauren von Böcklin dargestellt ist. Natürlich erfassen wir dabei die hintergründigen Motivationen: Eigentlich will der cholerische Kentaur sein zur Hälfte schon erlangtes Menschentum mit Macht aus dem Animalischen herausreißen, weshalb er rücksichtslos gegen sich und andere vorgeht.

Die bekannteste Kentauren-Schlacht finden wir in der siebten Heraklesarbeit. In Kürze stellt sich die Geschichte wie folgt dar. Pholos, ein gastfreundlicher Kentaur, lädt Herakles zum Essen ein; sie speisen genüsslich zu zweit und trinken zum Essen viel Wein, der jedoch allen Kentauren zu gleichen Teilen gehört, worauf es bei dem Eintreffen der anderen zu einem erbitterten Kampf kommt. Daraus lernen wir, niemals bleiben die vordergründigen Genüsse der Waage-Venus ohne Konsequenzen. Das bloße Genießen im Reigen der Fruchtbarkeit mag der Stiervenus noch recht gut bekommen.

Aber als Astrologe weiß man, bereits die Waagevenus muss die Ebene rein körperlicher Genüsse hinter sich lassen, denn die Sicht- und Greifbarkeit beschränkt sich auf den ersten Quadranten, Waage hingegen eröffnet den dritten Quadranten des Tierkreises. Erinnern wir uns, dass die unteren beiden Quadranten die Involution und die oberen die Evolution fordern.

Erster Quadrant: Immanenz/Körperlichkeit

Mars im Widder hastet weg von der Ur-Einheit und spaltet sich von der Ganzheit ab. Venus im Stier erinnert sich noch an diese Ganzheit, da sie als Schaumgeborene aus den Einheitsprinzipen Uranus und Neptun hervorging, zwingt jedoch das Einheitsbedürfnis in das Körperliche und grenzt sich im Verbund mit anderen als Gruppe ab. Merkur in den Zwillingen stellt diese Abgrenzung in Frage und versucht die getrennten Teile miteinander in Verbindung zu bringen, als wolle er die Einheit wieder herstellen. Da jedoch die Absonderungsbestrebungen der ersten beiden Zeichen die Stofflichkeit auf den Plan riefen, werden daraus nur Kontakte zwischen den getrennten Teilen.

Zweiter Quadrant: Gefühlsbereich/Seele

Mond im Krebs entwickelt langsam eine Wahrnehmung für das Innenleben, um eine individuelle Persönlichkeit aufzubauen. Das Mondprinzip empfindet, nimmt herein, lässt sich beeindrucken und wird im Außen ganz still, da sich das Bewegtsein in den Gefühlsbereich verlagert hat. In dem darauf folgenden Löwezeichen drückt die Sonne die eingelagerten Gefühle vehement aus, zeigt feurige Emotionen (lat. emovere, herausbewegen) und bringt damit die persönliche Einkleidung auf den Höhepunkt. Merkur in der Jungfrau analysiert sowohl die Gefühle des Krebses als auch deren löwische Ausdrucksformen und fördert das Verstehen der subjektiven Welt, wodurch die persönlichen Qualitäten ausreifen.

Dritter Quadrant: Bilderwelt/Geist

Venus in der Waage eröffnet den Weg in die Ideenwelt des Geistquadranten, damit das im zweiten Quadranten erlangte persönliche Sein lernt, sich bewusst auf etwas Überpersönliches einzustellen. Pluto im Skorpion verwandelt das persönliche Dasein in Übergeordnetes, Zeitliches in Ewiges, damit Jupiter im Zeichen des Schützen dem Anliegen des Geistquadranten einen Höhepunkt verschafft. In dem Symbol für Jupiter erhebt sich der Mond über das Kreuz: Die subjektive Sphäre der silbernen Mondenwelt – also die eingekörperte Seele – soll durch den Purpurmantel Jupiters begeistert und von irdischen Absichten befreit werden. Anders vermag der nächste Schritt in den vierten Quadranten, der für das Kosmische Bewusstsein steht, nicht gegangen werden.

Vierter Quadrant: Transzendenz/Äther

Saturn im Steinbock steht hier als Hüter an der Schwelle und lässt nur hindurch, was bereits ewigkeitstauglich geworden ist. Denn Uranus im Wassermann verlangt eine Entsubjektivierung bei vollem Bewusstsein, d.h. einen „Weltendiener-Zustand“, der sein Glück darin findet, inspirierend für das Kollektiv zu wirken und voll bewusst in die Einheit der Fische einzugehen.

Wie der vierte Quadrant gemeistert werden kann, vermag nur derjenige zu verstehen, der unter dem Banner des Jupiter erfolgreich über den Sinn des Daseins unterwiesen wurde und den Prüfungen Saturns standhielt.

Unter dem Signum von Jupiter sollten wir uns von dem Druck der Erdenlast schon befreit haben. Betrachten Sie, verehrter Leser, dies einmal auf der Bildebene:

Gleiten Sie für einen Augenblick zurück in die Zeit der Essener … und stellen Sie sich vor, Sie kommen als Fremder an die Tore einer Stadt … dort erleben Sie, wie Ihr Hab und Gut von Trägern durch ein großes Tor gebracht wird … und Sie selbst schreiten bar allen Besitzes, allein und nur mit einem weißen Gewand bekleidet, heiter und gelöst durch eine schmale Pforte, die „Nadelöhr“ genannt wird … offen für neue Eindrücke kommen Sie frohgemut in der fremden Stadt an und erhalten sogleich Ihr Hab und Gut zurück!

Da Sie ohne Vorbehalte durch das Nadelöhr schritten, empfängt man Sie ebenfalls offenen Herzens und gastfreundlich.

In diesen Bildern finden Sie das Ansinnen Jupiters gut repräsentiert. Wenn es in der Bibel heißt, eher ginge ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Himmelreich ein, bezieht sich dies auf eben jene Nebentore der Essener, durch die weder Kamel noch Last passten. Wer nach dem guten Hirten gerufen hat, muss bereit sein, ihm zuliebe auf irdische Bindungen und profanen Ballast zu verzichten und sich bereitwillig an das ganz andere zu binden — z. B. an ungewohnte Gepflogenheiten in einer fremden Stadt oder an die Lehre eines Essener-Ordens. Die Erkenntnismysterien von Jupiter verlangen das Draußenlassen alltäglicher Sorgen und Begierden. Darum bittet man auch vor jeder Ritualarbeit, persönliche Gepäckstücke vor dem Überschreiten der Tempelschwelle abzulegen wie es einst die Essener taten. Die Tempeltür wird zum „Nadelöhr“, das man vorbehaltlos durchschreiten möchte!

Um diese bewusste Stoffentbindung geht es Jupiter. Natürlich verliert man unter dem jovischen Signum nicht wirklich seinen Besitz, man verliert aber die niederdrückende Verhaftung daran. Wem es gelingt, die persönliche Last herzugeben und die Lebenstriebe auf den Erwerb zeitloser Tugenden auszurichten, wird nicht mehr von seinem Besitz besessen, sondern besitzt ihn, ohne dass der Besitz Druck auf seine Seele ausübt. Die so erlangte Offenheit für das Neue, Unbekannte, sprich: das Heilige, kann von irdischen Bindungen nicht mehr beeinträchtigt werden. Auf den Wegen Jupiters verwandelt sich der Mensch oftmals in einen Essener, der – gewollt oder ungewollt – abgibt, was ihm besonders am Herzen liegt, um dafür etwas Wertvolles für seinen Charakter zu erhalten, das weder mit Geld zu kaufen ist noch durch zwischenmenschliche Gefühle erlangt werden kann und dennoch von ewiggültiger Erhabenheit ist: WEISHEIT! Trinkbares Gold – Aurum potabile, als unsichtbare Tinktur für die Vergeistigung der Seele.

Betrachten Sie noch einmal das wunderbare Gemälde von Botticelli: Es kann nur Weisheit sein, die Athene dem betrübten Kentauren geben will; sie hebt seinen Kopf an und lässt seine Menschwerdung der Vollendung entgegenreifen. In Athene hat sich die Natur aus ihrem stofflichen Kerker erhoben. Als Kopfgeburt des Zeus vereinigt Athene alle weisen Anteile der olympischen Götter. In ihr entbindet sich die weibliche Natur von der Erde, Athene führt nicht den Erdverhafteten, sie führt den Helden. Erinnern Sie sich, verehrter Leser, die mythologische Athene straft und rächt Unlauterkeit, fördert jedoch das heroische Voranschreiten aller aufrichtigen Himmelsstürmer. Beispielsweise wird die Magd Arachne von Athene in eine Spinne verwandelt, weil diese als Weberin geschickter sein wollte als die Göttin. Wiederum eilt Athene Herakles in den Stymphalischen Sümpfen zu Hilfe und lässt das Sistrum der Isis erklingen. Sogleich vertreibt dieser heilige Ton böse schwarze Vögel, die mit ihrem eisernen Gefieder den Himmel verdunkeln. In diesem Sinne ist die Göttin der Weisheit die beste Beraterin für den richtig angestimmten Ton, wenn es um die Klärung der Sichtweise nach oben geht.

Damit die Himmel aufreißen und das höhere Licht erstrahlen kann, müssen Jupiterwege stets weise beschritten werden, sonst säumen sich die Pfade mit unerlösten Manifestationen, die weit entfernt liegen von den jovischen Freuden.

Jupiters unerlöste Ausdrucksformen als Wunden der Berufenen

Jupiter nimmt sein Domizil im Zeichen des Schützen ein, das als neues Werden nach dem Sterben im Skorpion verstanden wird. Beide Zeichen – so gegensätzlich sie auch erscheinen – arbeiten an demselben Werk. Die optimistische, tolerante Grundhaltung von Jupiter darf deshalb als Ergebnis einer geleisteten Arbeit im Skorpion betrachtet werden. Hierin liegt der hohe Anspruch von Jupiter. Schonungslose Selbsterkenntnis und Schattenerlösung sind unabdingbare Voraussetzungen für erlöste Jupiterformen. Werden körperliche Makel, unwillkommene Rückschläge auf dem Lebensweg oder heftige Schicksalsgewalten nicht als Konsequenzen des eigenen Charakters erkannt, so missfällt dies dem Erkenntnisniveau Jupiters.

Im Nu stürzen die Tugenden von Toleranz und Barmherzigkeit zu Boden, und was voller Vertrauen und Weitsicht sein könnte, was sich bejahend, großzügig und wegweisend ausdrücken sollte, wird in den Erdenschleim herabgezogen und äußert sich in den unerlösten Zügen Jupiters. Der Jovismus wirkt dann großspurig, ungerechtfertigt aufgeblasen, selbstüberschätzend — und ein furchtbarer Teufelskreis beginnt. Vermeidungsstrategien und ein übertriebener Hang zur Bequemlichkeit halten den Menschen in Bann, was eine Verweichlichung nach sich zieht. Wegen dieser verweigert der gestürzte Jupiter jede Leistung und scheut alle Formen von Anstrengung, mit dem Ergebnis der Erfolglosigkeit. Und von da an ist der Abwärtsweg kaum noch aufzuhalten. Mangel an Erfolg geht sogleich mit einem Mangel an Bewunderung von außen einher, was der Grundstimmung des Jupiters nicht gerecht wird. Thronend auf dem Olymp erwartet der Vatergott Zeus/Jupiter ein Höchstmaß an Ehrerbietung. Bleibt diese aus, weil ein unerlöster Jupiter seinen Mitmenschen keinerlei Grund zur Verehrung liefert, kommt es zu Scheelsucht, d.h. Jupiter sieht auf den Erfolg anderer und wird neidisch. Dies drückt sich dann in einem verächtlichen Benehmen aus, das im Gegenzug Ablehnung auf den Plan ruft, was den enttäuschten Kentauren schließlich tieftraurig werden lässt. Das Räderwerk des Hochmuts hat sich in Gang gesetzt, beginnt sich immer schneller zu drehen, und die Tragik im Schatten Jupiters wird manifest. Am Ende dieser unseligen Gemütskette kehrt sich die Trauer in Wut um, und er schlägt schließlich wild um sich.

Hohes Ross und tiefer Fall bedingen einander.

Die prinzipielle Qualität Jupiters lässt sich bestimmt nicht ausrangieren, also sucht sie sich Nebengleise, wenn die Hauptadern zur Weisheit verschlossen bleiben. Aber – und diese Medizin schmeckt bitter! – durch Hochstapelei und übertriebenes Aufplustern der jovischen Anlage gelingt es keinem in wahrer Weisheit anzukommen. Genau dort will Jupiter seine Schützlinge jedoch hinbringen. Er gilt als großer Befreier aus zu engen Denkschemata, will er doch den Erdenbürger dazu anhalten, seine Eigensucht in der Weltanschauung zu überwinden und sich aus den Bandagen körperlicher Wertsysteme ganz und gar zu befreien, damit der Schritt über die Schwelle zur Transzendenz gegangen werden kann.

Weisheit erlangt zu haben bedeutet, die persönliche Bewusstheit immer mehr mit dem Ganzen abzustimmen.

Doch müssen wir auf der Hut sein: Von dem „Großen Ganzen“ in der Theorie zu sprechen ist noch nicht dasselbe wie das Ganze auch zu kennen und zu meinen. Wir alle können uns die Karikatur des allzu gütigen „Sonntagspredigers“ vor Augen führen, wie er moralisierende Platituden verbreitet, unablässig von Liebe und Frieden spricht, um damit seine eigene Bequemlichkeit zu entschuldigen, die ihn schlechthin daran hindert, für die höheren Anteile seiner Überzeugung in den Kampf zu ziehen. Eigentlich müsste er nämlich auch Unbequemes vor „seine Gemeinde“ tragen, eine große heilige Furcht in ihr entfachen, gleichsam hierophantisches Feuer schüren und nicht nur Asche hüten; aber dazu ist er entweder zu träge oder zu ängstlich, oftmals sogar beides. Er hat es leider noch nicht verstanden: Scheinheiligkeit war zu keiner Zeit beliebt in den Prachthallen Jupiters und wird es auch niemals sein!

Wendet sich der Mensch gegen die Ziele Jupiters, dann lehnt er auch Sinnsuche und Sinnfindung ab und höhlt heilige Mythen inhaltlich aus wie eine Frucht, deren Fleisch er verwirft. Von der köstlichen Weisheitsfrucht bleibt nur die Schale, deren Sinn ihm auch bald verloren gehen wird. Leere Hülsen verlieren ihre gesamte Bedeutung. Es ist immer Jupiter selbst, der in solchen Fällen „die Wunde der Berufenen“ schlägt. Wie grausam es auch erscheinen mag, wenn Zeus seinen Sohn Prometheus an den Felsen schmieden lässt, dahinter steht das göttliche Geschenk einer tiefgreifenden, umfassenden Läuterung. Wer das Jupiterprinzip in sich anheben will wird wissen, welchen Namen diese Wunde in seinem Leben trägt. Jenes makabre Präsent ist ein körperlicher Makel, eine Versehrung, ein ungeliebtes Symptom, ohne das der Mensch vermeintlich glücklicher wäre. Aber es ist ausgerechnet dieses verhasste Stigma, das Jupiter zum Heil geschickt hat, weil es den Träger dieses Leidens auf die Suche nach dem Sinn dessen gehen lässt. Je näher er diesem Sinn kommt, umso größere Fragen drängen sich ihm umgehend auf, und es zeigt sich eines Tages der erste Zipfel des rote Fadens religiöser Erkenntnisse. Wohl dem, der nach ihm greift. In diesem wünschenswerten Ergebnis enthüllt sich die Wunde des Berufenen tatsächlich als heiliger Ruf in ein höheres Bewusstsein. Des höchsten Heiles Wunder – wie Wagner die Berührung von Himmel und Erde in der Oper Parzival nennt – wird sich auf dem Lebensplan einstellen und das Symptom langfristig überflüssig machen. Ein solcher Segen übergreift größere Zeiträume als der Mensch erfassen kann, weshalb es sich immer lohnen wird, auch nur allerkleinste Schritte in Richtung Erkenntnis zu unternehmen, selbst dann, wenn die erhoffte Wunderheilung ausbleibt und in dieser Inkarnation eine unmittelbare Erlösung von dem Stigma sich als unmöglich erweist. Was bedeuten schon 90 Jahre Leid gegen das Untergehen im unbewussten Kollektiv?! Vor diesem Schicksal will der gute Hirte seine Herde bewahren.

Denken wir bei der „Wunde der Berufenen“ auch an den Kentauren Chiron, dessen unheilbare Wunde Herakles schlug, indem er ihn aus Versehen verletzte mit einem Pfeil, der besudelt war mit dem Blut der neunköpfigen Hydra. Chiron hat sich von allein nicht hinterfragt, er hielt sich selbst für weise und glaubte an die Heilkraft von Kräutern und Salben wie ein Pharmakologe unserer Zeit. Darin lag aber seine Unvollkommenheit, die er auch schon in seiner eigenen Gestalt hätte erkennen können: Eine Chimäre, unten Tier, oben Mensch. Dieses Signum teilt uns mit, dass im Zeichen Schütze nicht von vornherein jeder erlöst ist, sondern dass hier die heilige Arbeit ihren Beginn nehmen muss. Uns zu diesem Zweck in die Herde der Gläubigen zu bringen, darin liegt das Amt Jupiters, unseres guten Hirten. Wer kann da noch ärgerlich sein, wenn sein Stachelstock uns ergreift, weil wir uns einbinden sollen in seine Herde!

Dem Kentauren Chiron fehlte die sezierende, stechende Hinterfragung des Skorpionzeichens, und allein durch das Blut der Hydra setzte diese ein, freilich zunächst im Körper und noch nicht im Bewusstsein. Der schonungslose Kampf mit einer stets blutenden Wunde führte bei Chiron zur Erlösung. Denn er gab den Anspruch auf seine Unsterblichkeit auf und schenkte sie Prometheus, den er dadurch vom kaukasischen Felsen erlöste.

Jupiter ist im Tierkreis flankiert von Pluto und Saturn, von zwei dunklen Fürsten, die eine Opferbereitschaft von Materie und persönlicher Gefühlswelt erzwingen. Folglich fällt es dem Jupiterbetonten nicht immer leicht Haltung zu bewahren. Schaut er nach hinten, wird ihm die Konsequenz seiner Handlungen vor Augen geführt, schaut er nach vorn, greift der kalte Arm eines strengen kosmischen Gesetzes nach ihm, dem zu entweichen noch keinem auf die Dauer gelungen ist.

Dies darf man einem Schütze-Aszendenten deutlich machen, damit er nicht in seiner Überzeugung verharrt, er wisse schon alles: Vielleicht ist er noch viel zu oft ein wieherndes Ross, das sich auf Trimmpfaden vor seiner geistigen Entwicklung drückt, sich in eine Salzbadewanne legt und unzählige Arzneimittelchen schluckt, um den Weltschmerz zu überwinden. Wobei er freilich übersieht, dass dieser philosophischer Natur ist und physikalisch gar nicht therapiert werden kann, weil er aus geistigen Bereichen stammt. Allein bewusste magische Heiligung, also Amtserfüllung ohne Absicht auf persönliches Wohlergehen, führt Jupiter zu seinem wahren Heilsein! An Mitgefühl sollte es uns hier freilich nicht mangeln, denn dieser Jupiterauftrag ist alles andere als leicht! Aber hier ermutigt uns die vertraute Formel des Lao-tse: Ein Weg von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt!

Wassermann-Aszendent hat am Medium Coeli, also in der Finalität des Lebens, das Zeichen Schütze, was bedeutet, er sollte nicht in persönlicher Rechthaberei beharren. Deshalb muss er dringend zu den Herdfeuern Jupiters zurückkehren, noch einmal beständig die schweren Roben heiliger Dienstbarkeit anlegen, damit er endlich aufhört, seine Teilnahmslosigkeit, Abgeklärtheit oder gar seinen Hochmut mit Erleuchtung zu verwechseln.

Jupitersonne (Sonne im Zeichen Schütze) bekommt ein Leben lang die Lektion vermittelt, dass die Erlösung von der Täuschung über sich selbst ohne rhythmisch wiederkehrende Selbsthinterfragung nicht zu erreichen ist. Die Sonne will Souveränität, Toleranz und in sich ruhende Weisheit an den Tag bringen — diese Tugenden sind erst einmal nicht vorhanden, sonst hätte sich der Sonnenglanz nicht darüber ausbreiten müssen, um sie zu beleuchten. Je älter der Schütze wird, umso mehr gelangt er in die Nähe jener Herrlichkeit, die ihn zwingt seine beiden Hände ineinander zu falten. Dies ist besiegelt. Es wird geschehen. Freiwillig oder unfreiwillig.

Der therapiebedürftige Jupiter

Wie Chiron, so bedarf jeder gestürzte Zeus dringend einer Therapie. Aber Zeus hat seinen Bruder Hades in die Unterwelt geschickt und sieht es gar nicht so gern, wenn dieser emporsteigt. Nun kann eine wirksame Jupiter-Therapie niemals Behandlung eines diplomierten Schulpsychologen sein. Denn dieser arbeitet in der Hauptsache im Zeichen der Jungfrau, also analytisch im diesseitigen Sinne, mit dem Ansinnen, den Menschen in ein funktionierendes soziales Gefüge einzusortieren — das hat er an der Universität gelernt und kann sich nur selten wieder davon lösen. Jungfrau steht aber im Quadrat zu Schütze, weswegen er das Prinzip der kleinen Blickwinkel unerträglich findet. Bei so viel Kleinmut kann man doch nur wutschnaubend, nüsternblähend und wiehernd – Galopp, Galopp, Galopp – jeder Anpassung an die Notwendigkeit davonreiten. Jupiter füttert man nicht mit Hafer vom bäuerlichen Acker!

Gänzlich unhaltbar für Jupiterprobleme sind auch die sogenannten „Kuscheltherapien“, wo man sich kindlich gekleidet auf einer Matraze wälzt und sich geborgen, gestreichelt, gehalten fühlen soll. Letzteres gefällt dem familiär veranlagten Mond. Der Mond aber gilt seit alters her als Tod der Philosophie, weshalb die Bedürfnisse des irdischen Menschen von den Belangen Jupiters unterschieden werden müssen. Wer Jupiter mit dem Wasser des Mondes ausgelöscht hat, kann lange auf das Eintreffen seines guten Hirten warten. Lieber hält Jupiter seine klaffende Wunde aus und verweigert sich gleich dem ganzen Leben, als in einer Therapie von dem unguten Verdacht beschlichen zu werden, es ginge nur um ein Tauglichsein für den profanen Alltag. Sich der Heerstraße der Masse anzuschließen kommt Jupiter auf keinen Fall in den Sinn. Denn wir können es beobachten: Selbst noch der unbewussteste Jupitermensch vermeidet jede Ausrichtung auf das Spießige und sucht sein Heil immer irgendwo anders: Von der Sport-Trophäe über gigantische Opern-Inszenierungen bis hin zum Channeling — nur eines darf sein Leben nicht sein: klein!

Vor diesen Hintergründen ist eine Therapiebedürftigkeit bei den zeusischen Ablegern immer gegeben. Manche Jupitermenschen haben schon als Kind bildlich gesprochen „eine Phosphatallergie“ und drehen durch, sobald man ihnen strenge Normen als Zügel um den Hals legt. Einige bäumen sich auf, wenn es heißt, regelmäßig das Gleiche tun zu müssen, sie schlagen dann cholerisch mit den Hufen um sich und treffen auch den, den sie lieben. Andere wiederum versuchen den Gemeinplätzen des Daseins zu entkommen, indem sie zu häufig fürstlich speisen, was den Fettzellen gut gefällt und das Prinzip der Ausdehnung äußerlich erkennbar macht. Wenn Julius Cäsar ausrief: „Lasst dicke Menschen um mich sein!“, dachte er bestimmt an den jovischen, großzügigen Charakter von Jupiters Schützlingen. Denn niemals wollen sie engstirnig und langweilig sein, statt dessen zeigen sie sich offenherzig und humoristisch, sie donnern und blitzen!

Eine andere Gruppe, die mit Jupiter noch im Hader liegt, ist erkennbar am „unablässig unterwegs sein müssen“. Jene Begehrlichkeit der „weiten Reisen“, wie er Jupiter angedichtet wird, bezieht sich allerdings auf die geistige Horizonterweiterung und meint nicht so sehr das Jetten von Kontinent zu Kontinent. Weder eine Schiffsreise an den Nordpol noch die archaischen Trommeln des Äquators bringen jene Bewusstheit zuwege, die Jupiter anstrebt. Auch erfährt man auf einer Ägyptenreise kaum, wie erhaben ein Initiationsritual ägyptischen Ursprungs ist, denn nur noch die Ruinen raunen es sich zu, aber die Menschen, die dort leben, wissen davon gar nichts mehr. Reisen kann für den gestürzten Jupiter keine Erlösung sein, sondern stellt fraglos eine Flucht in das raumerkundende Gegenzeichen der Zwillinge dar. Außer Zeit und Geld vergeht bei der Reise nämlich nichts! Was immer der Mensch auch an fremden Kulten von außen betrachtet, es befriedigt im Grunde nur seine äußere Sensationslust. Wie ergriffen ein Tourist auch von fremden Tempeln oder Moscheen sein mag, niemand wird vom Anschauen der Kultgegenstände kultisch bis in das Herz. Über solche Äußerlichkeiten schüttelt Jupiter traurig den Kopf. Erst das Verlassen des waagerechten Kreuzesbalken und die Hinwendung zum senkrechten erfreut Jupiter. Er begehrt ein Hinter-sich-bringen von Welt und fordert das Emporschwingen in die Dimension religiöser Ideen, weil er verantwortlich ist für das Erlösungswerk der Seelen.

Wer sich dem Kultischen zuwendet tut gut daran, selbst so lange an Zeremonien und Ritualen teilzunehmen, bis er sie selbst leiten kann. Dies führt in die Arme der Philosophen, und die Philosophen führen zu den Religionen und deren mystischen Nebengleisen. Nur in einer authentisch zelebrierten Verehrung glimmt der berühmte letzte Glutfunke, der es dem Phönix ermöglicht, sich erneuert aus der Asche empor zu schwingen — schöner noch als jemals zuvor.

Allein in der Obhut
Gottgewollter Säulen
findet Jupiter eine Therapie,
die er annehmen kann:
Die rituelle Mysterientherapie,
in der es um die kosmische Abstimmung geht!

In der Mystik knüpft Jupiter an seinen uralten Heimatort an. Denn er war einst nicht nur Herrscher des Schütze-Zeichens, sondern auch Regent der Fische, noch bevor Gott Poseidon über den Planeten Neptun dort eintrat. Ähnlich wie Zeus eine Trinität mit Poseidon und Hades bildet, kann auch Jupiter als Urprinzip ohne Pluto und Neptun nicht wirklich etwas Großes hervorbringen. Demzufolge beginnt das Erlösungswerk für Jupiter erst dort, wo seelische Erhebung zugelassen wird und das Mysterium des heiligen Grals sich zu offenbaren beginnt. Bevor dieses Arkanum sich erschließt, somatisiert Jupiter hilflos auf anderen Ebenen herum und lässt die Wunde der Berufenen schmerzlich bluten. Bei dem Werk der seelischen Wandlung von Zeitlichkeit in Ewigkeit hilft der gute Hirte in Messen und Ritualen. Als Brückenbauer (Pontifex) und Seelenführer (Psychopompos) stellt er die Jakobsleiter zur Verfügung, auf dem die Seelen sicheren Schrittes auf und nieder schreiten können.

Der gute Hirte als mythisches Gleichnis

Das Motiv des Hirten in Religionsmythen ist uralt. Schon Inanna in Mesopotamien wählte einen Hirten namens Dumuzi oder Tammuz zum Gemahl. Im Mythos wird er ein rhythmisch wiederkehrender Auferstehungsgott, was für die sumerische Religionsausübung in einem Stufenturm, der Zikkurat, ritualisiert wird. Auch der ägyptische Gott Osiris wird als König und Hirte dargestellt. Die mentalen Sphären von Strenge und Barmherzigkeit verbindet Osiris als Dreschflegel und Krummstab chiastisch vor seiner Brust und kennzeichnet sich selbst damit als geopferten Gott, der sich hingibt für das Seelenheil aller Menschen. Osiris, der solare Gottessohn, verwandelt sich in einen Therapeuten der Unterwelt, der die Seelen auf ihrem Mysterienweg mit ihren Schatten versöhnt. Horus, der Sohn des Osiris, verrichtet dieses Werk auf der Erde, und jeder Pharao wird stellvertretend für Horus zu einem priesterlichen Hirten für sein Volk. Indem Osiris den Pharao über Horus zum Hirten gemacht hat, treten alle drei Feuerzeichen auf den Plan: Die Herde ist Sinnbild des Widders, indem sie nomadenhaft umherzieht. Der König verkörpert das Löwezeichen. Schütze schließt sich als guter Hirte an.

König und Hirte vereinen sich auch im biblischen David, der ofmals mit einem Psalter singend auf den Weiden dargestellt wird. Unzählige Lieder gibt es, die sehnsuchtsvoll den guten Hirten preisen.

Ganz besonders empfehlen möchte ich die drei Kantaten von Johann Sebastian Bach (BWV 85, 104, 112), in denen der Komponist den Hirten inbrünstig lobpreist.

In der griechischen Schreibweise begegnet uns das Sinnbild des Hirten in den hermetischen Schriften, die als „Corpus Hermeticum“ und als „17 Bücher des Hermes“ erhalten sind. Darin finden wir Fragmente der alexandrinischen Schule, aufgezeichnet von einem griechischen Priesterkollegium. Man befragte altägyptische Priester, die Teile der Bücher des Hermes auswendig beherrschten und schrieb auf, was sie zu sagen vermochten. Darin enthalten sind Dialoge von Isis und Horus sowie Gespräche in Form von Frage und Antwort zwischen Hermes Trismegistos und Poimander. Poimander (zu grch. poimen) heißt Herdenführer, Hirte. Im Hebräischen nennt man den Hirten „ra’ah“, worin wir etymologisch sogar „Râ“ den obersten Gott Ägyptens wiederfinden.

Poimander selbst bezeichnet sich „als das Gemüt des von sich selbst bestehenden Wesens“ und erteilt Hermes Trismegistos als innere Stimme eine Unterweisung. Heute glauben Mystiker häufig, man müsse die Weisheit – wie Hermes in dieser Allegorie – rein intuitiv, ohne vorheriges Studium einer Lehre empfangen, sich gleichsam durch meditative Versenkung direkt an den Strom des Wissens anschließen. Man vergisst dabei, dass die überlieferten Texte Alexandriens Wechselgesänge sind, die deutlich den Charakter von Unterweisungsriten tragen. Darin offenbaren sich also liturgische Textpassagen, die den Initianten wiederholt mitgeteilt worden sind. Man muss schon im Voraus mit überliefertem Wissen gespeist sein, will man sich an den Strang der Weisheit anschließen. Die offenbarten Worte erst lassen eine Anbindung zu. Weisheit aus der Unwissenheit fernab einer heiligen Lehre empfangen zu wollen ist zu jeder Zeit unmöglich! Wer nicht zuvor die Mythologie eines Kultes studiert hat, kann auch nicht in die höheren Gesetze des Schöpfungsgeheimnisses eingeweiht werden.

Poimander als „innerer guter Hirte“ vermag seinen Samen nicht zu pflanzen, wenn der Boden für das Empfangen der Weisheit unvorbereitet ist. Es bedarf zunächst eines äußeren Hirtens, um an die Weisheit zu gelangen. Der verborgene Hirte im Inneren des Menschen muss erst erweckt und der Kontakt wissentlich hergestellt werden, damit dieser die Wahrheit zu enthüllen vermag. Dies geschieht in der griechischen Antike durch den Götterboten Hermes, der seinem Herrn dient, nämlich Zeus. Hermes, der Intellekt, geleitet die Seelen in die unsichtbaren Bereiche, wo sie höhere Unterweisung finden, wenn sie vorher genügend darauf vorbereitet wurden.

In der Septuaginta (griechische Fassung des AT) kommt das Wort Hirte 70x vor, der Begriff Herde ebenso oft. Diese Häufung zeigt die Tradition dieser Sinnbilder. Gehobene Nomadenvölker hatten ihren irdischen Besitz in der Herde. Es ist ein uralter Brauch, mit Gleichnissen aus dem Leben etwas über das Heilige auszusagen. Im NT taucht die Hirtensymbolik wieder in den sieben Ich-bin-Worten Jesu auf. Die einzige Metapher, die eine Person darstellt, finden wir in dem Wort: „Ich bin der gute Hirte“. Christus selbst ist demnach Poimander, der innere Hirte.

Im NT erscheint 11x das Wort Hirte und 5x Herde. Frühchristliche Sekten hielten für Jesus mehr das Symbol des guten Hirten aufrecht. Erst 400 Jahre n. Chr. rückte der Gekreuzigte in den Vordergrund, und der Hirte wurde zum Sinnbild wahrer Priesterschaft (Pastor, Le Pasteur, der Schäfer, der Hirte).

Jupiter in der Deutung

Nehmen Sie, verehrter Leser, die mystische Darlegung des Hirten zum Gegenstand unserer Jupiter-Deutung. So, wie alles Metall nur Gold zum Ziel hat, so strebt auch Jupiter das Heilige an, unabhängig davon, ob er sich momentan z. B. um Blei, Silber oder Kupfer kümmern muss; dies meint, ob er in Ihrem Horoskop im Steinbock, Krebs oder Stier steht.

Lassen Sie sich von dem bekanntesten Hirtentext aus dem Johannes-Evangelium zu eigenen religiösen Einsichten bezüglich Ihres Jupiterstands inspirieren.

Joh 10, 11-18:

Ich bin der gute Hirte.

Gemäß des alexandrinischen Poimanders macht sich Jesus zu einem Boten, der sich aus dem Inneren des Menschen kundtut. Er stellt sich vor, offenbart wer er ist.

In welchem Zeichen steht Ihr Jupiter, verehrter Leser? Welche Urprinzipien-Herde haben Sie mit Weisheit zu hüten? Ist Jupiter z. B. auf irgendeine Weise mit Merkur verbunden (Zwillinge, drittes Haus, Konjunktion mit Merkur, etc.), so will der gute Hirte in Ihnen das Wissen zunächst fragmentarisch sammeln, dann systematisch untereinander vergleichen, schließlich die wesentlichen Gemeinsamkeiten auffinden und Spreu vom Weizen trennen.

Verbindet sich Jupiter mit dem Mond (Krebs, viertes Haus, etc.), dürfen Sie die Gefühlswelt hüten. Jupiter will diese in ein Weisheitssystem erheben und Ihnen weitreichende Erkenntnisse über die Seelenlandschaft zukommen lassen.

Jupiter in Verbindung zur Sonne erwartet von Ihnen das sorgsame Hüten Ihres Egos. Angeborene Machtenergien sollten Sie nicht wahllos für das Banale verströmen, Ihr Ego darf sich auf den Olymp souveräner Herrschaft und Autorität erheben und das Banner von Weisheit, Güte und Barmherzigkeit hochhalten. Können Sie dies schon? Gut so, da freut sich der Hirte!

Mit Jupiter und Pluto (Skorpion, achtes Haus, etc.) ist es die Herde Ihrer Verdrängungen, die Sie zu hüten haben. Wenn Sie alle finsteren Winkel in ihrer Hadeskammer beleuchten konnten, dürfen Sie entsprechende Kammern für andere Seelen öffnen, denn Ihre sinnvollste Tugend liegt im Hinauswachsen über Ihre persönlichen Ängste.

Halten Sie es mit Saturnkontakten zu Ihrem Jupiter, dann ist es das Hüten und Pflegen der kosmischen Gesetze, das Ihnen höchstmögliche Heiligung verschafft.

Der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe.

In diesem Bibelwort finden wir den Auftrag, ganz in der beauftragten Mission unseres Jupiters anzukommen und konsequent die erforderlichen Repräsentanten der eigenen Jupiterstellung einzulösen.

Es ist wichtig, sich nicht beirren zu lassen, wenn der Preis für mehr Erkenntnis auf Ebenen des Persönlichen eingefordert wird. Natürlich ist es schwer, in unverständige, lunar gebrochene Augen zu schauen, wenn einige zeitvergeudende Lebensäußerungen keinen Anklang mehr in einem von Jupiter beherrschten Leben finden. Da heißt es manchmal, beharrlich auf dem Pfad der Gralssuche weiterziehen zu müssen und nicht am Wegesrand bei jenen zu verweilen, die Montsalvat nicht sehen können und keine Ahnung haben, welcher Verzicht an einem bestimmten Punkt des Weges unweigerlich eingeklagt wird, um diesem Heilsberg auch nur wenige Schritte näher zu kommen. Die Verletzung unbewusster Alltagsgemüter stellt dann noch das kleinere Übel dar — wahre Barmherzigkeit geht manchmal verborgene Wege!

Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirte ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt.

Dieser Hirten-Vers erinnert an ein Motiv aus der sumerischen Religion: Dilmun ist ein Garten, in dem kein Wolf die Lämmer reißt. Fehlt der gute Hirte, kann das innere Paradies, der innere Frieden, nicht gefunden werden, Jupiter wird dann an der Spaltung leiden und der Wolf jagt das Glück davon!

Hier können wir die Notwendigkeit der Identifikation mit dem heiligen Lebensauftrag ableiten. Jupiter-Probleme ergeben sich nur, wenn man noch kein „Eigner“ des Heiligen geworden ist, der sich insgeheim dem Sakralen in voller Inbrunst auch dann anheim gibt, wenn äußere Pflichten ihn daran hindern.

Die höchste Feuerform stellt die stetige Schützeglut dar, es ist kein Strohfeuer! Mars, der Wolf bzw. der Ich-Terror im Menschen, agiert gegen die Ruhe des Jupiter. Wie schnell läuft man den heiligen Versprechen wieder davon, wenn die Unruhe kommt oder man dem gefährlichen Wolf des Eigennutzes nicht Herr zu werden vermag?! Nur der wahre Besitzer des Heiligen verschont seine Herde vor den Wölfen und findet Beständigkeit in seinen Handlungen und Verpflichtungen.

Der Mensch findet nicht zu seiner kosmischen Aufgabe, wenn er eine Belohnung dafür erwartet. Er muss die heiligen Dinge ohne Kosten- und Nutzenrechnung in seinem Herzen bewegen, nur dann wächst seine Aufgabe und mit ihr die Verantwortung. Dies geht einher mit dem Wissen um die Einlösung eines hehren Gesetzes, das nicht zurückschreckt Konsequenzen einzuklagen. Wenn der Hirte dies nicht nur weiß, sondern sogar fordert, darf er die folgenden Worte formulieren:

Ich bin der gute Hirte. Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.

In diesem so einfach klingenden „Kennen“ liegt das Geheimnis des Traditions-Schatzes, den jede Religion mit absoluter Sicherheit besitzt (sonst gäbe es sie gar nicht), unabhängig davon, ob der Einzelne den verborgenen Schatz findet oder nicht. Hier wird der Hirte zum Priester: Er stellt sich zwischen Mensch und Gott und verbindet sie miteinander, eingedenk dessen, dass der Abstand so ungeheuer groß ist, die Verschiedenheit so gewaltig, dass es ihn als Mittler zerreißen kann. Blendet man in die Geschichten von Gottessöhnen und Heiligen hinein, dann findet man auch stets dargestellt, wie die unteren Kräfte den Mittler vernichten. Der innere Geistesfunke verweilt sogar bei der Seele, wenn der Mensch ihn bekämpft, er verlässt die Seele nicht, obwohl er die Freiheit dazu besäße. Er gibt sich bewusst hin.

Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind. Auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören. Dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.

Das Christusprinzip ist überkonfessionell, es ist ein Egregor auf halber Strecke nach oben und bedient alle Religionen. In Mithras, Krishna oder Chrestos verbirgt sich ein und dieselbe Wesenskraft.

Im Horoskop bedeutet dies: Jupiter gut, alles gut! Ein richtig gelebter und erfüllter Jupiter wacht wie ein guter Hirte über den Rest des Horoskops und bündelt die Interessen, um sie Stufe um Stufe ihrer höheren Bestimmung zuzuführen. Was die anderen Prinzipien wollen, ordnet Jupiter unter sich, macht sie alle zu seiner großen Herde. Wenn sie ihm folgen, bringt er sie gesund durch, es entsteht Harmonie zwischen den Planetenrepräsentanten. Der Blick in das Horoskop ist von diesem Augenblick nicht mehr nötig! Es gibt zu viele „Winkel-Astrologen“, die das leider nicht verstehen und sich ein Leben lang um Transite sorgen, anstatt den guten Hirten mit Hilfe des Geburtshoroskopes zu finden und ihm zu folgen.

Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen.

Frei sein bedeutet sich anbinden an die höchste Seinsform. In der Vollendung dessen entsteht eine Zuneigung Gottes, die spürbar wird. Der eigentliche Besitzer der Herde ist immer Gott geblieben; darum muss Er Seinen treuen Hirten lieben, dann braucht Er keine Sorge zu haben wegen der Herde. Der Hirte hat die Fürsorge für die Hilflosen übernommen, hat Gottes Herde zu seiner eigenen gemacht, weil er mit Gott für immer bewusst verbunden bleibt.

Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht es hinzugeben, und ich habe Macht es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.

Die Freiwilligkeit des Opfers bestätigt die Macht, verleiht „kosmische Prokura“. Der Hirte darf erlösen, weil er keine Eigeninteressen mitbringt und nur die Herde im Blickfeld hat.

Im Horoskop heißt dies, nicht zufällig mit dieser Jupiterstellung zu leben. Aufgrund der vorangegangenen Gegebenheiten wurde der Auftrag empfangen.

In dem folgenden Gleichnis wird die Hirten-Allegorie in schönen Bildern aufgemalt:

Es nahten zu ihm allerlei Zöllner und Sünder, dass sie ihn hörten. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und der, so er deren eines verliert, nicht lasse die neunundneuzig in der Wüste und hingehe nach dem verlorenen, bis dass er es finde? Und wenn er es gefunden hat, so legt er es auf seine Schultern mit Freuden. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht mit ihnen: freuet euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. (LK 15)

Hier verstehen wir vielleicht das Wesen einer kultischen Neueinsetzung, wie sie vom AT auf das NT vollzogen wurde. Die Strenge der Befolgung von Vorschriften wird zugunsten der Errettung durch einen Hirten aufgehoben. Das verlorene Schaf, das allen Gesetzen davon lief, ist es wert, vom Hirten selbst gesucht zu werden. Findet er es, nimmt er es auf die Schulter. Dieses Schaf wird durch das Weggehen von der Herde wichtig!

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn Du bist bei mir, Dein Stecken
und Dein Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden
mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des HERRN immerdar.
Psalm 23

Verehrter Leser, wir haben unsere Betrachtungen mit dem bekannten Hirten-Psalm abgeschlossen und erfreuen uns an seiner heiligen Verheißung. Die Bedürfnisse werden darin im Himmel festgemacht, denn selig ist, wer die Weisheit nicht von unten, sondern von oben empfängt. Die Erneuerung aus dem Hirtenprinzip des Priesters bringt eine initiatische Unerschütterlichkeit mit sich.

Wenn das Bewusstsein Erhöhung
in erhabenen Gedanken gefunden hat,
schöpft der Mensch
aus den Quellen der Kraft.
Er gelangt zu geistiger Fülle
und das Ewigkeitsversprechen
findet Einlösung durch die Arbeit
an dem Urprinzip Jupiter.

Gabriele Quinque

Gabriele Quinque
 

Auf der Grundlage langjähriger Erfahrungen in Initiatenorden gründete sie im Jahr 2000 gemeinsam mit anderen Gefährten den FMG-Förderkreis für Mythologisches Gedankengut, der sich die Aufgabe stellt, tradierte Mythen zu bewahren und die Weisheit der Älteren Brüder im dazugehörigen Templum C.R.C. durch ein Einweihungssystem in der Tradition der Gold- und Rosenkreuzer lebendig zu halten. Mit allen Aktivitäten äußert sie das Anliegen, in jedem Mann und in jeder Frau eine geistige und religiöse Orientierung zu fördern.

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