Das Weihnachtsmysterium im Spiegel antiker Kulte

In unserem christlichen Weihnachtsmysterium nimmt ein uralter Lichtkult Gestalt an. Der Mythos von der Geburt Jesu handelt von der Fleischwerdung des sogenannten goldenen Kindes. Solch ein außergewöhnliches Kind inkarniert stets aus demselben Grund. Es hat den Auftrag, die Erdbewohner davor zu bewahren, ihre himmlische Herkunft zu vergessen und sich ganz und gar in den materiellen Kräften zu verlieren. Dazu bedarf es in allen Variationen dieses Mythologems einer Theotokos, einer Gottesgebärerin, die als jungfräuliche Mutter auserwählt ist, die kosmische Zeugung zu empfangen. Im christlichen Kontext trägt Maria (bzw. Myriam oder Maya) als Symbol der geläuterten Materie den Mythos des goldenen Kindes aus. In Maria begegnet uns die Umkehr der Eva des Alten Testaments. Eva griff im Garten Eden nach dem Apfel und erfuhr mit Adam die Vertreibung aus dem Paradies. Religionsphilosophisch betrachtet zerstörten die Kinder Evas die himmlische Ordnung und errichteten ein Gegenreich zum Himmel. Um dieser Hybris Einhalt zu gebieten und dem Himmel wieder Vorrang auf Erden zu geben, wird Maria berufen.

Ave Maria, gegrüßt seist Du Maria! Dieser Angelusgruß des Erzengels Gabriel erreicht Maria in ihrem Heim, das eine Gebetsstätte ist, und empfängt den kosmischen Auftrag zur Theotokos. Diesen nimmt Maria bereitwillig an, woraufhin sie durch eine göttliche Befruchtung über die Belange der Erde erhoben wird. In ihrer Demut und Reinheit kehrt sie den Sündenfall um und verbindet sich mit der gnostischen Weisheit. Ganz deutlich wird uns die Zurücknahme der Schuld durch den Apfel, den Maria auf vielen Gemälden unversehrt an das goldene Kind zurückgibt. Eva hat uns von Gott weggeführt, Maria führt uns zu Ihm zurück. In „AVE“ lesen wir den Namen Eva von rechts nach links, also nicht aus der abtrünnigen Vergangenheit, vielmehr von der erlösenden Zukunft her kommend. Die heilsmagische Formel Ave Maria verehrt die menschliche Seele auf ihrem Rückweg in das Reich ihrer Abstammung.

Das Mysterium als Analogie menschlicher Entwicklung

Betrachten wir die weihnachtliche Geburt als Mysterium in uns selbst, dann ist die Geburt des goldenen Kindes nichts anderes als die Empfängnis höchstmöglicher Selbsterkenntnis, die Gotterkenntnis in sich einschließt. Maria symbolisiert die himmlische Natur der Seele. Sie wird deshalb als jungfräulich bezeichnet, weil sie auf ihrem Weg über das Erdenrund rein bleibt, wie eine Lilie, die in sich selbst wurzelt. Die Gottesmutter gebiert das Licht der Welt, das von der Finsternis nicht zerstört werden kann und zu seiner wahren Glorie aufersteht. Am Ende des Werkes wird sie ihrerseits von dem Auferstandenen erhoben und gekrönt. Dies entspricht dem Erhebungswerk der Seele, den alle Religionen aufzeigen.

Angelus Silesius formulierte in diesem Sinne: Ich muss Maria sein und Gott aus mir gebären, soll Er mir ewigliche Seeligkeit gewähren. Maria zu sein ist demnach ein erhabener Zustand, den der Mensch anstrebt, aber nicht auf instiktiven Wegen zu erreichen vermag. Erst wenn die niederen Seelenanteile durch kultische Handlungen von ihrer Stoffgebundenheit befreit wurden, können sie sich mit der jungfräulichen Seelenschicht vereinigen. In allen Gleichnissen und Abbildungen Mariens wird ihr göttliches Charisma deutlich: Maria umhüllt sich gleichsam mit einem Sternenmantel wie die ägyptische Göttin Nuit und tritt auf den Mond sowie auf eine Schlange als gnostische Sophia. Das Einzigartige an Maria ist, sie zeigt sich ganz von Zweifeln gereinigt, löscht irdische Trugbilder ebenso aus wie niedere Begierden. Im Gegensatz zu archaischen und antiken Göttinnen gebärdet sie sich weder sexuell und launisch noch Opfer einklagend, sondern vollends hingebungsvoll und Gott ergeben. Den dunklen Charakterzug überlieferter Mondgöttinnen gibt sie – zumindest was die erdennahe Sinnlichkeit angeht – an Maria Magdalena ab.

Das Goldene Kind in alten Kulturen

Richten wir unser Augenmerk auf Christi Geburt, dürfen wir nicht versäumen, im Vorfeld auf ältere Traditionen zu blicken und auch dort die Geburt des goldenen Kindes zu erkennen. Schon der ägyptische Horus wird geistig empfangen. Ebenso wie später Jesus den solaren Geist erneuert, stärkte bereits Horus die Kräfte seines solaren Vaters Osiris auf Erden. Harpokrates, das bedeutet Horus als Kind, wird häufig mit dem Finger auf dem Mund dargestellt. Dieses Zeichen gilt als das Geheimnis des erwählten Kindes, denn es symbolisiert das Schweigen in der Welt und das innere Lauschen nach der Gottesnähe. Die Göttin Isis symbolisierte für die Ägypter den weiblichen Anteil, die Seele. Ähnlich wie Eva wandte sie sich der Erde zu und wurde dadurch schuldig am Geist, an Osiris, den die Mächte des Stoffes zerstückelt hatten. Aber indem sie sich ihrer himmlischen Flügel wieder bewusst wurde, erhob sie sich als Isis Urania über den mumifizierten Leichnam des Osiris, wurde von seinem Geist geschwängert und gebar den goldenen Horusknaben. Dieser wuchs heran, und es heißt in den Papyri, er triumphierte stets über seine Feinde. Horus führte nämlich unzählige Kämpfe gegen den Widersacher Seth und ging immer siegreich aus dessen Angriffen voller List und Tücke hervor.

Nur einem Goldenen Kind hat man in der Mythologie seit jeher solche Kräfte nachgesagt. Im goldenen Kind kommt der Gott selbst zur Erde, so hieß es schon immer. Ähnlich wie Horus seine Feinde besiegt, gelingt es auch dem hinduistischen Krishna, dessen Name auch der Gesalbte bedeutet, wie Christus. Die guten Gottheiten nannten die Inder Devas, sie besaßen jedoch einen Schatten, der sich in den blutrünstigen Asuras ausdrückte, die nur ein Ziel kannten, die Devas zu entmachten und die vollständige Weltherrschaft anzutreten.

Um einen solchen Frevel der Dämonen zu verhindern, darin liegt in allen Religionsmythen der Grund, weshalb ein Gottessohn inkarniert. Er ist ein Gesandter und hat die Aufgabe, den Lichtkräften zum Sieg zu verhelfen. Lauschen wir in den Krishna-Mythos hinein, um auch hier das Wesentliche einer Gottesgeburt zu erfassen:

„Aus Bosheit ließen die blutrünstigen Asuras den Dämon Kamsa inkarnieren, der keinen Gott der Höhe in sein Herz dringen ließ, und er wurde der Tyrannenkönig von Mathurâ. Vor allem um Kamsa zu vernichten, aber auch um den Menschen die Wege zur Unsterblichkeit zu eröffnen, riss sich Vishnu zwei Haare aus und gelobte: ‚Diese beiden Haare aus meinem Haupt sollen bis zur Erde hinabsteigen und die Last der Dämonen hinwegnehmen. Damit alles, was lebt, wieder in Mahadeva einkehre!
So vernahm Kamsa die Kunde, dass der aufbauende Gott Vishnu einen Spross zur Erde entsandte, der beabsichtigte, die Schreckensherrschaft Kamsas zu beenden, weshalb der Tyrann alle Kinder töten ließ, die zu der Zeit der Prophezeiung auf die Welt kamen. Aber – gänzlich verborgen in einem geheimen Land voller Lotosblüten – fiel die anmutigste aller Frauen namens Devaki in tiefe Ekstase; sie vernahm den Klang himmlischer Harfen, dazu ein ergreifendes Singen lieblicher Stimmen, und bald darauf erblickte sie den übernatürlichen Glanz von tausend Devas, die aus den Wolken zu ihr herabschauten! In diesem Augenblick empfing Devaki Krishna, den Gesalbten. In der Obhut friedvoller Hirten am Fuße des Berges Meru, unter drei prächtigen Zedern, gebar Devaki das heilige Kind. Seine Haut war dunkel, aber seine Seele leuchtete wie ein Diamant im Sonnenschein.
Krishnas Wesen glich einem stärkenden Trank, und sein Herz war rein wie das eines Lammes. Und so kam es, dass er sowohl zu großer körperlicher Stärke als auch zu vollendeter Poesie heranwuchs. Als Krishna erwachsen war, besaß er die Kraft eines Löwen, und er predigte den Menschen von Mahadeva, dem Gott der Götter, der Sonne der Sonnen! Krishna besiegte die Söhne des Mondes und half den Söhnen der Sonne; er tötete Kamsa und lehrte die Menschen, ihre Arme emporzuheben und den Geist der Sonne zu begrüßen.“
(G. Q., Die Fackel des Prometheus)

Nicht nur an Krishna ging ein großer Auftrag. Auch die Mission Jesu wird durch die prophetischen Worte Mariens angekündigt. Maria spricht nach seiner Geburt nur noch wenig, aber vorher erweist sie sich doch recht redegewandt und ebnet den Weg ihres Sohnes mit folgender Rede:

„Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit wäret immer für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel, wie er geweissagt hat unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern ewiglich.“
(Lk 1, 44-55)

Diese Worte Mariens leuchten der Lebenserfüllung Christi verheißungsvoll voraus, sie verkünden wie zu alten Zeiten: Er wird in die Welt kommen, die Widersacher vertreiben, die Lichter der Seelen verstellen und den Geist des Alls auf seinen rechtmäßigen Thron rücken.

Die Lichtgeburt und die Todesmythen

Voraussetzung für die Geburt des goldenen Kindes war zu allen Zeiten der Mythos des Todes, der dieser Lichtgeburt vorausging. Ähnlich wie zur Geburt Krishnas war es auch bei Abram, der später von Gott Abraham getauft wurde. Damals wollte König Nimrod alle Knaben töten, weil ihm eine Weissagung zu Ohren kam, dass ein Knabe die Herrschaft übernehme, sobald er herangewachsen wäre. Von seiner Mutter wurde Abram in eine Höhle gelegt und entkam so seiner Ermordung. Der Erzengel Gabriel erschien jeden Tag in der Höhle und nährte Abram mit Milch, die aus seinem Finger floss.

Also griff auch zu Jesu Geburt der Tod um sich, da Herodes allen Knaben nach dem Leben trachtete, denn auch er fürchtete wegen einer Weissagung um seine Macht. Der Tod als Begleitmotiv der göttlichen Geburt versteht sich hier als Signum irdischer Existenz, die solange tot im Grabe liegt, bis das Gottes-Ich, das Höhere Selbst im Menschen, geboren wird. Der Tod ist in allen Initiationsriten verbunden mit einem Behältnis, einem Kasten, einer Schatulle, einem Binsenkörbchen, die allesamt Weiterschreibungen des Osiris-Sarkophages sind. Sarkophag heißt übersetzt Fleischfresser, der äußere Leib soll darin vergehen, damit der Geistleib geboren werden kann.

Im alten Indien zelebrierte man einen Ritus, in dem der Kandidat geschoren und gesalbt wurde. Danach sperrte man ihn sieben Tage in eine Höhle ein. War keine Höhle vorhanden, so erbaute man eine Hütte zum selben Zweck. Dort hatte er in der Lage eines Embryos zu verweilen und erhielt nur wenig Nahrung. In dieser Zeit sollte sein Leib dahinschwinden. Wie ein Neugeborener kam er nach Ablauf der Zeit aus der Höhle heraus.

In der sogenannten Dresdner Mayahandschrift gibt es ein Bild des Sonnengottes Kukulkan, der gekrümmt hockend in einem Kasten auf seine Wiedergeburt wartet. Diese Symbolik entspricht der uralten Vorstellung von der Sonne in der Weltenberghöhle, die ihren Winterschlaf hält und zur Wintersonnenwende wieder hervorkommt. Tatsächlich feiern wir die Geburt des Lichtes gemeinsam mit den Heiden zum Wintersolstitium. Das ist jener Moment, an dem die Tage langsam wieder länger werden. Die Sonne erwacht gleichsam aus ihrem Winterschlaf. Die eingesargte Sonne im Kästchen entspricht dem unstofflichen Samen Gottes, der in der Form Aufnahme findet und hervorgebracht wird. In der Mahâbhârata entstand das Feuer aus dem Samen des Feuergottes Agni. Nach dem Catapatha-Brâhmana vermählte sich Agni mit den Wassern, wobei sein Same zu Gold wurde.

Wenn Maria das große Seelenmeer ist und der Geist Gottes auf sie herabkommt, so bringt auch sie das göttliche Licht in einer Höhle zur Welt. Die Behausung für den christlichen Lichtsamen kann auch mit dem Uterus Mariens gleichgesetzt werden und findet ihre Fortsetzung in den opulenten Gewölben aller Kirchen. Hierbei empfiehlt es sich, zu bemerken, dass die Gottessohnschaft identisch ist mit der Inkarnation Gottes. Auch in früheren Kulturen zeugte der solare Schöpfergott immer wieder sich selbst.

Die Wiedergeburt der Sonne feiert man in vielen Kulten als Geburt des Sonnenkindes: Eo ipso, die Sonne als Kind. Immer wieder kommt es zu Allegorien, in denen die Sonne in einer Truhe oder einem Kasten verschlossen liegt. Diese Herberge wird dann durch irgendeine Macht aufgebrochen, und heraus springt ein Sonnenknäblein. So wurde beispielsweise der „Große Herr“ der Akkader, ca. 2600 v. Chr., von dem es hieß, er hätte ein Weltreich erschaffen und beherrscht, als Kind in einem Kasten aus Schilfrohr ausgesetzt, wie dies später von Mose berichtet wird.

Denken wir hier auch an Ödipus. Von seiner Sage gibt es zwei Varianten. Bei Sophokles wurde Ödipus im Kithairongebirge ausgesetzt, wo sich ihm ein Hirte annahm und ihn großzog. Einer anderen Fassung zu Folge wurde Ödipus wegen einer Weissagung von seinem Vater in einer Truhe verschlossen und in das Meer geworfen. Die Truhe trieb in Sikyon an Land. Nach seiner Befreiung des Ödipus zog ihn der ansässige Landesfürst Polybos auf.

Der mythische Knabe Adonis wuchs ebenso in einer Truhe heran. Adonis war der Sohn von Smyrna (bzw. Myrrha), die von Aphrodite aus Zorn in einen Myrrhenbaum verwandelt wurde und aus ihrem Stamm den Adonisknaben gebar. Aphrodite fand ihn wunderschön, versteckte ihn in einer Truhe und brachte diese in die Unterwelt zu Persephone, damit die anderen Götter den schönen Knaben nicht sahen und ihn zu sich holten.

Der edle Adonis-Knabe ist eine Variante des solaren Prinzips. Ihn in der Unterwelt zu wissen, gleicht der Nachtmeerfahrt der Sonne. Als Aphrodite nach Ablauf der Zeit den Knaben zu sich holen wollte, war Persephone nicht bereit, ihr den makellosen Jüngling auszuhändigen. Erst der Ratschluss des Zeus setzte dem Streit der Göttinnen ein Ende und Adonis kehrte zu Aphrodite zurück.

Ein andere Variante des goldenen Kindes finden wir in dem Mythologem von Persephone. Bei Propertius, röm Dichter ca. 40 v. Chr., trägt die Unterweltsgöttin den Namen Brimo, die Starke. Erinnern wir uns, Kore lebt mit ihrer Mutter in himmlischen Gefilden, wird von Hades geraubt und mit einem Granatapfelkern an die Unterwelt gebunden. Das ist Hieros Gamos, Heilige Hochzeit von Himmel und Hölle. Das Wesentliche der hellenistischen Riten von Eleusis war diese Heilige Hochzeit von Persephone und Hades. Wie in dieser Hochzeit verband sich auch der Myste in den Weihen mit den Göttern zu einem Gotteskind. Dies wurde in den Eleusinien anschaulich dargestellt, indem die Göttin am Ende der Weihen mit einem goldenen Knaben im Arm, der Brimos hieß, aus der Unterwelt aufstieg. Aus dem 2. Jh. n. Chr. ist ein Zitat von Hipolytos überliefert. Er verurteilte die Ketzerbekämpfung der Kirche und pries die Schönheit der Eleusinen.

„Den Heiligen gebar die hehre Brimo,
den Knaben Brimos,
das ist der Starke der Starken.
Hehr ist die geistige,
himmlische Geburt in der Höhe,
stark aber ist der so Geborene.“
(Hypolytos)

In dem Zitat werden zwei Ebenen angesprochen: Die geistige Geburt aus dem Leib der Göttin, die sich aber wirksam fortsetzt bis in den einzelnen Menschen. Gemäß der Platonischen Ideenlehre geht alles, was an der Universalseele getan wird, über auf die Menschheit als Partikel. Anders gesagt: Jedes heilige Mysterium muss im Menschen ankommen. Auch für Weihnachten gilt dies. Das goldene Kind kann in der Weihenacht im menschlichen Herzen als höhere Bewusstheit zur Welt kommen.

Adventskalender und Tannenkranz

Denken wir an die Kisten und Truhen, die für die Geburt des Lichtes geöffnet werden, so kommen wir mit ein wenig Phantasie auf unseren Adventskalender. Früher war er immer viereckig mit dunklem Hintergrund, entweder eine Hütte oder ein Wald, und vom 1. – 24. Dezember gab es je eine Tür, die es zu öffnen galt und eine leuchtende Kerze auf gelbem Untergrund oder einen Stern zeigte. Das Öffnen der Tore wird als Vorfreude auf die Ankunft des Lichtes im eigenen Herzen empfunden. Unterstützung findet diese Symbolik noch durch den tannengrünen Adventskranz. Advent heißt Ankunft. Im frühen Christentum wurde Advent mit einer Fastenzeit begangen und umfasste sechs Sonntage vor der Geburt Jesu. Erst im 16. Jahrhundert legte man vier Sonntage fest, als Sinnbild für die vier Evangelien, die von der Fleischwerdung Gottes berichten. Der grüne Kranz stammt aus dem Mithraskult, wo der Eingeweihte nach bestanden Prüfungen als Sieger bekränzt wurde. Der Kranz nimmt auch die Bekränzung Mariens vorweg. Die vier Lichter, die nacheinander auf dem Adventskranz entzündet werden, zeigen die Ankunft des Lichtes in allen vier Elementen und Evangelien: Lukas-Stier-Erde, Markus-Löwe-Feuer, Johannes-Adler-Wasser, Matthäus-Engelmensch-Luft.

Wenn Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis dem Wesen des goldenen Kindes gleichkommt, so ist es schwer, im Menschen geboren zu werden und wir erkennen darin das Motiv der Suche nach der Herberge. Josef und Maria gingen von Nazareth nach Bethlehem, das heißt Stadt des Brotes. Es ist das Brot des Lebens, die Heilige Speisung, der Leib Christi, der hier geboren werden sollte. Es gab keine Herberge für den Gott im Herzen, weil zu viel anderes darin wohnte. Und weil keine Herberge für den Sonnenlogos da war, gebar Maria das goldene Kind in einem Stall. Der Stall war eigentlich eine Höhle, denn zu jener Zeit, hielt man die Tiere in Höhlen. Damit stimmt die tradierte Symbolik für ein Heldenkind. Es gleicht der Ankunft der Sonne in der Weltenhöhle. Das Kästchen, die Truhe der Alten, das Binsenkörbchen des Mose wird zur Krippe. Um diese herum gruppiert sich die Heilige Familie mit den Hirten, Ochse und Esel, wie sie auf die Ankunft der Heiligen Dreikönige warten, die das Mysterium mit Weihrauch, Myrrhe und Gold als religiöses Werk bestätigen.

Die kosmischen Gesetze dringen durch die Christusmagie bis zur Erde durch und sollen wieder eingekleidet werden in eine Dramaturgie von Opfer, Tod und Auferstehung eines Gottes. Denn zur Zeit Christi Geburt waren viele Kulthandlungen wirkungslos geworden, der Zahn der Zeit hatte ihre Kraft zermalmt, hatte sie unlebendig und schwach werden lassen. So konnte nicht verhindert werden, dass menschliche Machtgier die Segensleistung der Kulte in zunehmendem Maße erstickte. Darum stand nun das neue Mysterienspiel auf dem Plan, welches das Beste aus den Vorgängern in sich einschloss und an Herrlichkeit alles Vorangegangene übertraf.

Denken wir an die Einleitung dieser Abhandlung zurück, in der wir von alten Kulten und ihrer Erneuerung durch das Christentum sprachen. In folgenden Worten des Matthäus heißt es: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen! In diesem allegorischen Satz schließt sich der Kreis zu Horus, dem goldenen Kind der Ägypter.

„Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten. Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr es findet, so sagt mir es wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land. Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir, fliehe nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir es sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es zu töten. Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“
(Mt 2, 1-15)

 

Gabriele Quinque

 

Gabriele Quinque
 

Auf der Grundlage langjähriger Erfahrungen in Initiatenorden gründete sie im Jahr 2000 gemeinsam mit anderen Gefährten den FMG-Förderkreis für Mythologisches Gedankengut, der sich die Aufgabe stellt, tradierte Mythen zu bewahren und die Weisheit der Älteren Brüder im dazugehörigen Templum C.R.C. durch ein Einweihungssystem in der Tradition der Gold- und Rosenkreuzer lebendig zu halten. Mit allen Aktivitäten äußert sie das Anliegen, in jedem Mann und in jeder Frau eine geistige und religiöse Orientierung zu fördern.

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