Die Aufstellung der heiligen Familie
Die Heilige Familie der Christen zieht zu Weihnachten große Aufmerksamkeit auf sich. In allen Kirchen und auf vielen Heimaltären erblicken wir die Aufstellung der Heiligen Familie mit Hirten, Ochse und Esel im Stall und dem Eintreffen der Heiligen Dreikönige.
Eine Familie definiert sich als irdische Gemeinschaft. Noch vor zweihundert Jahren galt eine Familie als Verbund von drei bis vier Generationen mitsamt aller häuslicher Dienerschaft unter einem Dach. Das ist schon eine kleine Gemeinde. Noch heute werden die Krippenfiguren als Symbol von Frieden und Einigkeit innerhalb der Familie zu Weihnachen aufgestellt. Mit der Heiligen Familie wächst die profane Familie über ihre eigenen Sorgen und Nöte hinaus, eben gerade weil in der eigenen Familie meistens nicht alles in Ordnung ist. Diese heilige Familienaufstellung bringt den Segen einer durchweg erwachsenen Grundhaltung mit sich. In der Symbolik der Heiligen Familie hat eine auf persönliche Bedürfnisse ausgerichtete Psychologie keine Chance. Was mythologisch in Bethlehem stattfindet, greift inhaltlich weit über das normale Familienleben hinaus. Weihnachten kann demnach als Erhöhungsfest des familiären Lebens begriffen werden.
„Es ist leichter, einen starken Charakter zu entwickeln, wenn die Bedrängnis der Erde als gegeben hingenommen wird!“
So heißt es in der Überlieferung aller Mysterienschulen. Deshalb eröffnet sich in der Heiligen Familie eine Dimension kosmischer Geborgenheit, wird doch an ihr gezeigt, dass sich die Wanderung des Lichtes durch die Erdschlucht zwar enorm schwierig gestaltet, aber gerade deswegen Einigkeit und Frieden untereinander herrschen sollte.
Für ein Leben, das ganz Gott geweiht ist, stehen Maria und Josef. In ihren gewaltigen Aufgaben, die sie in stillem Jubel bewältigen, liegt auch schon der religiöse Schlüssel, der heutzutage vielen Menschen abhanden gekommen ist. Ähnlich wie die Pietà den Menschen aus seinem Leid befreien kann, weil sie das Todesleid in das Mysterium der Zweiten Geburt und der geistigen Wiedergeburt transformiert, können auch Josef und Maria alle Drangsale des Menschseins von dem Bann des Entsetzens erlösen und in ein friedvolles Annehmen verwandeln.
Das Heilmittel aller Familienprobleme liegt in der Integration des Ideals der Heiligen Familie. Denn die Heilige Familie entspricht keineswegs dem Bild einer harmlosen Kleinfamilie von heute, wie sie uns in Werbespots aufgezeigt wird. Die Heilige Familie ist vielmehr eine beispielhafte, universelle Familie, die ihr Wollen und Wirken auf das Numinose ausrichtet. Die Vorbildlichkeit der Familie aus Nazareth liegt demnach in der Gottesbezogenheit. Mit ihrem Auserwähltsein nimmt sie Anteil an der Heiligkeit Gottes, weil Gott einen Plan mit ihr hat. Die Mitglieder der Familie sagen einheitlich „Ja“ dazu, verzichten auf persönliche Vorteile und fügen sich bedingungslos in den Plan Gottes ein. Darum ist die Ehe von Maria und Josef eine Erfüllung des himmlischen Willens. Diese Ehe hält der Menschheit einen Spiegel vor, der eine Form des Ehelebens zeigt, die jenseits von Egoismus und Habsucht liegt. Diese beiden Untugenden brauen sich häufig unbemerkt im Schatten des Ehelebens zusammen. Der Apostel Matthäus formuliert seine Ansichten zur Ehe wie folgt:
„Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig,
manche sind von den Menschen dazu gemacht
und manche haben sich selbst dazu gemacht,
um des Himmelreichs Willen;
wer das erfassen kann, der erfasse es.“
(Mt 19, 12)
Unfähig zur Ehe sind Menschen, die auf unerlöster materieller Ebene schwingen. Da dort eine körperorientierte Ich-Bezogenheit vorherrscht, kann es zu einem Mangel an der Fähigkeit kommen, sich dem Du zuzuwenden. Der zweite Aspekt, den Matthäus anspricht, heißt: „manche sind von den Menschen dazu gemacht“. Hier folgt das Ehepaar einer triebgesteuerten Du-Bezogenheit. Dies meint, die Betroffenen sehen in der Ehe eine erforderliche Konvention, die von der Gesellschaft vorgegeben ist, und an die man sich zu halten hat. Hier heiraten Paare aus Gründen sozialer Vorbilder und gegenseitiger Versorgung. Es tauchen jedoch recht häufig Probleme auf, weil sich im Schatten dieser Haltung ein psychischer Sprengstoff ansammelt, der sich in angestauter Dichte zerstörerisch auf die Ehe auswirken kann.
Der dritte Aspekt erlaubt eine ideellorientierte Selbst- und Du-Bezogenheit. Wenn es bei Matthäus heißt: „und manche haben sich selbst dazu gemacht, um des Himmelreichs Willen; wer das erfassen kann, der erfasse es“, so findet man den höchsten Sinn der Ehe, der darin besteht, das Übungsfeld für die heilige Gegensatzvereinigung von Jahwe Gott und dem Volk Israel, also der gesamten Menschenseele, zu bereiten. Die glückliche Vereinigung zweier erlöster Individuen (gleichsam Sonne und Mond) kennzeichnet eine kraftspendende Gemeinschaft, in der die drei Liebesdimensionen Eros (Erotik), Philia (Freundschaft) und Agape (Gottesliebe) miteinander in Harmonie schwingen.
Die Gründungsmythen der Heiligen Familie
Wenden wir uns der Gründungsmythologie der Heiligen Familie zu, so findet man in der kanonisierten Schrift keine Aussagen über Mariens Empfängnis und Geburt. Die Kirche weicht deshalb entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit auf das apokryphe Protevangelium des Jakobus aus, ohne diese Quelle direkt im Dogma der unbefleckten Empfängnis zu benennen. Dort wird geschildert, wie Joachim und Anna hochbetagt noch keine Nachkommenschaft haben und schließlich ohne körperliches Zutun Joachims die Tochter Maria als Geschenk Gottes erhalten.
Dies geschah so: Joachim war schon sehr alt, forschte nach und fand heraus, er sei der einzige in allen zwölf Stämmen Israel, der keine Kinder bekommen hatte. Da dachte er an Abraham und Sahra, die sehr spät erst Isaak erhielten. Und Joachim ging in die Wüste und fastete dort vierzig Tage und Nächte. Anna trauerte unterdessen zweifach: Joachim hatte sie verlassen und sie war kinderlos. Da setzte sie sich unter einen Lorbeerbaum und erblickte ein Sperlingsnest mit Jungen darin. Sogar die Vögel und alles andere Getier haben Kinder, so klagte sie, nur sie sei ohne Frucht geblieben. Da kam der Engel des Herrn zu ihr und verhieß ihr, sie werde empfangen. Anna leistete beglückt das Gelöbnis, sie wollte dieses Kind in den Dienst des Herrn geben. Ebenso wurde Joachim von dem Engel prophezeit, er sei erhört worden und Anna würde empfangen. Deshalb opferte Joachim dem Herrn vor Dankbarkeit seine besten zwölf Lämmer.
Zu gegebener Zeit gebar Anna ihre Tochter Maria. Als das Mädchen sechs Monate alt war, machte es sieben Schritte auf dem Boden. Aber seine Mutter hielt es auf und gelobte, dass Maria diesen groben Boden nicht mehr berühren solle, bis sie im Dienst des Herrn stünde. Also errichtete sie ein kleines Heiligtum um das Bett herum und ließ kein gemeines Ansinnen dorthin gelangen. Im Alter von drei Jahren gaben die Eltern das Kind in den Tempel, damit es auf heiligem Boden aufwachse. Der Hohepriester empfing Maria und stellte sie auf die dritte Stufe vor dem Altar, da ergoss sich die Gnade Gottes über das Kind. Mit zwölf Jahren sollte sie sich mit einem würdigen Manne verloben. Alle Witwer des Volkes durften ihren Stab bringen, und man wartete auf ein Zeichen Gottes, doch es zeigte sich an keinem der Stäbe eine himmlische Botschaft. Als jedoch Josef der Zimmermann als letzter den freienden Stab herbei brachte, flatterte sogleich eine weiße Taube aus dem Stab und schwang sich auf Josefs Haupt. Da wurde Maria mit Josef verlobt, obwohl er schon alt war.
Bald benötigte man im Tempel einen Vorhang, und man fand nur sechs Jungfrauen, die noch unbefleckt waren und diesen weben durften. Deshalb eilte man zu Maria im Haus Josefs und erteilte auch ihr diese Arbeit. Als die Fäden verlost wurden, fielen der echte Purpurfaden und der Scharlach auf Maria, und sie begann das Werk des Webens. Mit der Farbe Purpur kündigt sich das Werk der Vergeistigung an; in das blaue Wasser der Seele dringt der rote feurige Geist und bringt die Farbe Purpur hervor. Purpurvorhänge schützen das Allerheiligste jüdischer Tempel. Maria webt in diesem Gleichnis nicht an dem Teppich eines bürgerlichen Familienlebens, der waagerecht liegt, den man mit Füßen tritt. Maria arbeitet an einem senkrecht hängenden Vorhang zum Allerheiligsten, der das Hochheilige vor den Blicken Unberufener schützt.
Diese apokryphe Legende Mariens untermalt die Unbeflecktheit des göttlichen Mutterschoßes im Voraus. Damit erfüllt Maria die Anforderungen der Antike an eine Theotokos, eine Gottesgebärerin. Denn sie selbst ist hier schon liliengleich Teil des Himmels, da sie bereits unbefleckt empfangen wurde und folgerichtig ihrerseits von dem Heiligen Geist empfängt.
Das Marienleben vollzieht sich alsbald in den zwölf Lämmern des Joachim und ihren ersten sieben Schritten, die sie mit sechs Monaten setzt. So kann man getrost die Symbolik des mundanen Tierkreises darüber legen. Bei der Vollendung der unteren sechs Tierkreiszeichen wird sie als „Jungfrau“ in ein heiliges Leben emporgehoben. Die sieben Schritte, die für die klassischen Urprinzipien (Sonne, Mond, Merkur, Mars, Venus, Jupiter, Saturn) stehen, verwandeln sich später in ihre sieben Schmerzen. Der Weg durch den oberen Tierkreis gestaltet sich für Maria wie der Opferweg der Lämmer Joachims; sie bleibt unschuldig und reagiert lammfromm auf alles, was ihr wiederfährt.
Wenden wir uns Josef zu, so finden wir bei Matthäus: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. (Mt 1, 20b-21).
Josef wird Sohn Davids genannt. Er ist der einzige, der im Neuen Testament diesen Titel erhält. Josef sichert damit die Davidität Jesu, wie dies in den Stammbäumen bei Matthäus und Lukas nachgewiesen wird. Eine exegetischen Beurteilung leitet eine davidische Abstammung Mariens aus Lk 1, 27 ab, denn man geht davon aus, dass in Israel üblicherweise Ehen innerhalb des gleichen Stammes geschlossen wurden.
Von Bernhard von Clairvaux stammen folgende Worte:
„Josef hat den Glaubensgehorsam, die treue Erfüllung des Willens Gottes und fixiert somit seine exemplarische Bedeutung für die Kirche. Jahrhunderte lang wurden Volksfrömmigkeit und Kunst von dem Josefsbild der Apokryphen geprägt. In der griechischen Kirche gehören zur Gestalt des heiligen Josef bis heute folgende Elemente: ein hohes Alter, eine frühere Ehe und die daraus folgenden Kinder; die wunderbare Auserwählung Josefs, Behüter Mariens zu sein und als Attribut der blühende Stab, aus dem die Taube sich als Zeichen dieser Erwählung erhebt. Die Stellung des heiligen Josef gründet in der Ehe mit Maria. Als jungfräuliche Gottesmutter verleiht sie ihm das Recht und die Pflicht einer irdischen Vaterschaft.“
Zum Geheimnis der Familie von Nazareth gehört die wahre Vaterschaft Josefs. Obwohl diese Vaterschaft keine biologische ist, nennt der Papst sie eine authentische menschliche Vaterschaft. Im Geheimnis der Menschwerdung ist Gott der Vater Jesu, im Geheimnis der Heiligen Familie aber ist Josef der Vater Jesu. Nicht durch Zeugung, sondern durch Annahme wurde Josef der Vater Jesu. Mit der Annahme des Menschseins wird in Christus auch alles ‘angenommen’, was menschlich ist, insbesondere die Familie als erstes Ausmaß seiner irdischen Existenz. In diesem Zusammenhang wird auch die menschliche Vaterschaft Josefs ‘angenommen’.
Das betonte Alter Josefs steht für Stärke des Geistes. Hier sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Maria zwölf Jahre alt ist. Josef wäre dann also bereits mit dreißig Jahren als „alt“ zu bezeichnen. Er ist also reif und nicht altersschwach. Sein Dienst und Beistand war auf der Flucht nach Ägypten notwendig, und nach der Rückkehr ernährt sein Schaffen die Familie in Nazareth. Dass für diese Aufgaben ein Greis nicht Hilfe, sondern Last gewesen wäre, ist naheliegend. Auch hat Josef vorher schon Kinder gezeugt und kann durch seine danach erst erlangte Keuschheit die Jungfräulichkeit Mariens bewahren. Josef ist demnach potent und zeugungsfähig, hat aber die Sturm- und Drangzeit hinter sich gelassen und kann sich mit seiner vollen männlichen Kraft dem geistigen Werk annehmen. So wird er zu einem rituellen Magier, der seinen Trieb im Zaum hält und in der Lage ist, ähnlich wie ein Priesteramt ein Mysterium durchzuführen. Augustinus betont den Vorrang dieser geistigen vor der natürlichen Vaterschaft und nennt Josef den Adoptivvater Jesu.
Neben Ehe und Vaterschaft beschreibt Johannes Gerson, gleichsam als Zusammenschau, die Heilige Familie, deren Haupt Josef ist.
Zu den Konstanzer Konzilsvätern sagt er wörtlich:
„Einem Zimmermann war untertan derjenige, der das Morgenrot und die Sonne geschaffen hat; untertan war er einer Frau, die Leinwand webte, er, dem sich beugen alle Knie im Himmel, auf Erden, und unter der Erde. O möchten mir doch die Worte zur Verfügung stehen, ein so tiefes und vor der Welt verborgenes Geheimnis zu erklären: die Dreifaltigkeit Jesus, Maria, Joseph, die man nur bewundern und verehren kann.“
Es war von Johannes Gerson eine ungewöhnliche Terminologie, die Heilige Familie als irdisches Abbild der göttlichen Dreifaltigkeit zu bezeichnen. Mit seiner Aussage ist diese Familie etwas ganz besonderes geworden, denn in ihr leistet das Geschöpf dem Schöpfer vollumfänglichen Gehorsam. Josef hatte Maria geehelicht, ging aber gleich darauf fort, um seiner Arbeit nachzugehen. Als er nach Monaten heimkam, fand er seine Frau geschwängert. Ohne himmlische Eingebung und ohne Reife, solche Eingebungen zu empfangen, hätten beide einen Giftbecher trinken müssen. Denn dies forderte das jüdische Gesetz bei Ehebruch mit erfolgter Schwangerschaft. Aber Josef vertraute auf den Geist Gottes und begann mit seiner Fürsorge für Maria und das Kind.
Zweimal findet der heilige Josef auch bei Johannes Erwähnung, die bedeutenderen Aussagen über ihn finden sich aber in den Evangelien des Matthäus und des Lukas. Diese Stellen nennen eine wichtige Charaktereigenschaft Josefs: seine Gerechtigkeit! Damit erfüllt er die Forderung des Judentums, nämlich „gerichtet“, das bedeutet auf Gott ausgerichtet zu sein. Wir hören von der Heimführung Mariens als Ehefrau, von der Reise nach Bethlehem und der Anwesenheit Josefs bei der Anbetung der Hirten. Wir erfahren, dass Jesus seinen Namen durch Josef erhält und von seinen Eltern zur Beschneidung in den Tempel gebracht wird. Die Heilige Familie flieht schließlich nach Ägypten, weil Herodes die Knaben tötet. Die Symbolik, in Ägypten Obhut zu finden, ist von viel größerer Tragweite in dieser Jesusmythologie als allgemein angenommen. Zum einen geht die kultische Rückbindung generell auf Ägypten zurück, zum anderen ist Ägypten biblisch gesehen die materielle Welt, wie wir dies durch den Auszug des Volkes Israel unter der Leitung von Mose überliefert bekommen. Als Herodes stirbt und damit die Gefahr vorüber ist, kehrt die Familie heim nach Nazareth. Mit zwölf Jahren wird Jesus von seinen Eltern gesucht und im Tempel wiedergefunden. Von Josef selbst erfahren wir danach nichts mehr, weshalb sein Tod in der Jugend Jesu angenommen wird.
Die Hirten mit Ochse und Esel an der Krippe
Blicken wir auf die Hirten, die nahe der Krippe stehen. Laut Überlieferung sind es je nach vorherrschender Landschaft entweder Hirten oder Jäger, die ein berufenes Kind aufziehen. Knüpfen wir an der Symbolik des Hirten an, so finden wir vorrangig den ägyptisch-hellenistischen Poimander, dessen Name Menschenhirte bedeutet. In der Tat bringen die Hirten nicht nur Nahrung für das Kind, sondern zeigen sich auch als geistgesandte Begleiter. In Lukas 2 erfahren wir, wie der Engel des Herrn, das ist Gabriel, des Nachts den Hirten erscheint, die bei ihrer Herde wachen. Der Erzengel verkörpert die Geistseele des Menschen, die zu den Leibseelen der Hirten spricht. Die Hirten fürchten sich, weil den Engel das gleißende Licht himmlischer Klarheit umgibt, und diese macht den Erdbewohnern immer Angst. Aber der Engel spricht das wichtigste Wort der Evangelien aus, indem er zu den Hirten sagt: Fürchtet euch nicht! Dann verkündet er die Geburt des Erlösers und gibt das Erkennungszeichen für die Hirten bekannt: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.
Hier merken wir auf: Die Hirten erkennen das goldene Kind mit dem Blick nach unten auf die Krippe, die drei Weisen aus dem Morgenland schauen nach oben und sehen den Stern, der über dem Sonnenlogos scheint. Kaum hat der Erzengel seine Weisung an die Hirten ausgesprochen, umringen ihn auch schon die himmlischen Heerscharen und singen:
„Ehre sei Gott in der Höhe.
Friede auf Erden.
Den Menschen ein Wohlgefallen.“
In diesem dreifachen Lobpreis offenbart sich das Herabkommen Gottes in die Welt. So ziehen die Hirten gen Bethlehem, verehren das Kind und geben die Botschaft Gabriels, der dem Element Wasser zugeordnet ist, an Maria, die Seele, weiter. Maria erhört die Worte der Menschenhirten. Denn zu ihr sprechen sie tatsächlich.
„Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt all diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“
(Lk 2, 17-19)
Die Heiligen Dreikönige als geistige Tradition
Der übermächtige geistige Reichtum des goldenen Kindes kommt durch die Weisen aus dem Morgenland noch mehr zur Geltung. Zwölf Tage nach dem ersten Weihnachtstag ist Epiphanias, der 6. Januar. Epiphanias bedeutet, das Göttliche erscheint, wird den Heiligen Dreikönigen offenbart. Zunächst nannte die Überlieferung diese nur die drei Weisen oder die Magier aus dem Morgenland. Ab dem 6. Jahrhundert wurden sie zu Königen und bekamen ihre Namen, die zunächst Thaddadia, Melchior und Balytora lauteten. Erst im 8. Jahrhundert erhielten sie die heute gebräuchlichen Namen Caspar (der Schatzmeister), Melchior (König des Lichtes) und Balthasar (der Glänzende wie Ba’al). Sie sind Sinnbilder von Oberhäuptern bedeutender Kulte. Als Zeichen ihrer rituellen Anbindung erscheint für sie ein fünfzackiger Leitstern. Es besteht kein Zweifel, diese drei Könige sind Eingeweihte, über ihnen selbst leuchtet ein Pentagramm als Symbol der rituellen Magie. Es symbolisiert die fünf wichtigsten Begriffe der Mystik: Überirdische Intelligenz (=Weisheit), Barmherzigkeit, Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit. Auch ihre Gaben künden von den kultischen Geheimnissen der Antike. Die Alchemie verbirgt sich in dem Gold, das der greise Melchior in Form von Münzen und einem Apfel aus purem Gold mitbringt. Caspar schenkt dem Kind Weihrauch als Zeichen des Opfers und als Symbol der Priesterschaft Christi, denn wie der heilige Rauch der Opferfeuer wird das Leben Jesu nach oben steigen. Balthasar greift mit der Myrrhe dem Tod und der Auferstehung Christi vor. Denn die Myrrhe wird nach der Kreuzigung von Joseph von Arimathia in sehr großen Mengen zur Einbalsamierung Jesu gebracht. Die Myrrhe erzählt von uralten Auferstehungskulten, welche die Ägypter im Namen des zerstückelten Osiris und die Hellenen in ihrem Gott Dionysos zelebrierten.
Noch deutlicher als die Gottheiten aus vergangenen Mysterien ist Christus ganz Mensch geworden und wird dennoch als Gott auferstehen. Also integriert er die Hohe Magie der Vorzeit nicht nur, er erhöhte sie in ihrer Wirksamkeit. Bislang galt es als Vorrecht der Hohenpriester, auf magische Weise eine Verbindung von Himmel und Erde herzustellen. Dazu dienten viele Ritualgegenstände wie goldene Leuchter, Opferaltäre, Schmuck, Gewänder, an die eine Absicht der Kommunion zu binden war. Die Kultpriester hielten gewissermaßen die himmlischen Stromkabel in der Hand, damit in der Welt das Licht der Weihe nicht verlöschen konnte. Diese heilige Kraft war für sie erfahrbar und konnte gelenkt werden, weil sie in einer magischen Tradition arbeiteten, die ihnen die Macht dazu verliehen hatte. In diesem Sinne war jeder vereidigte Hohepriester gleichsam ein Magier aus dem Morgenland, denn auch er kannte die Kultgegenstände Gold, Weihrauch und Myrrhe. In solch erhabenem Andenken schreiten nun die Magier vor den Gottessohn in der Krippe und erkennen: Eine neue Magie ist geboren! Ein regenerierter Kult liegt hier in den Windeln, und die Heiligen Dreikönige wissen im Voraus um die Frohe Botschaft, die verkünden soll, dass nicht nur ein Gott auferstehen kann, sondern auch ein Mensch. Nicht weniger als ebendiese kultische Großartigkeit der direkten Anbindung durch den Sohn Gottes erkennen die Heiligen Dreikönige voller Ehrfurcht. Ein uraltes hochpotenziertes Mysterienspiel tritt erneuert in die Sichtbarkeit ein. Mit der Christusmagie rückte die Hohe Magie der Alten in eine neue, verjüngte, erfrischte Erfahrbarkeit, bereichert durch die monotheistische Gottesliebe des All-Einen, der sich nicht mehr über unzählige Urprinzipien in das menschliche Bewusstsein verströmt, sondern einen großen Mittler sandte. Poimander, der Menschenhirte der Alten ist zum Menschensohn geworden. Als wahrer Pontifex wird Jesus in aller Klarheit sagen:
„Es werden nicht alle, die zu mir sagen:
Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen,
sondern die den Willen meines Vaters im Himmel erfüllen.“
(Mt 7,21).