Der geheiligte Gral
Die Mysterien der menschlichen Seele
in »Parzival« von Wolfram von Eschenbach
Vorwort
Überlieferte Mythen erlauben mehrere Ebenen der Betrachtung. Zunächst bieten sie spannende Unterhaltung, damit sie sich unter den Menschen verbreiten; ihr höherer Sinn liegt freilich darin, Geheimwissen so zu transportieren, dass es sich am Intellekt vorbeimogelt und die menschliche Seele erreicht. Die Mythen um den Heiligen Gral blühten in der Mitte des Fischezeitalters auf. Tausend Jahre nach Christi Geburt bearbeiteten gleich mehrere Dichter diesen Stoff, weshalb viele Varianten davon entstanden sind. Obwohl die Figuren rund um den Gral dem Artussagenkreis der keltischen Tradition entlehnt sind, offenbart sich im Gral eine urchristliche Thematik. Der Gral verbindet als Gefäß der Wiedergeburt christliche Religionsmythen mit ihren Vorläufern. Der Gral als Uterus der Göttlichkeit nimmt verschiedene Formen an und erscheint uns bisweilen als Kelch, als Stein, als Schekinah, Pietà, Höhle, Kirche, Tempel oder Kaaba. Wie die Religion an sich, so machte auch der archaische Kessel der Wiedergeburt etliche Metamorphosen durch, aber stets behielt der symbolische Mutterschoß für die Zweite Geburt seine grundlegende Symbolik bei. Als goldener Kelch ging der Gral in die Eucharistie ein. Gralssuche wird durch das Verlangen nach rituell erfahrbarer Wiedergeburt hervorgebracht.
Wolfram von Eschenbach wagt in seiner Aventüre Parzival mutig den Sprung aus der Kausalität, denn er betont gleich zu Beginn seiner Dichtung, dass er dem Leser mehr sein möchte als ein Barde und Romancier. Um sich vor einer Verfolgung durch die damalige Kirche zu schützen, lässt Eschenbach aber nur zart durchblicken, wie er sich als kompetenter Führer durch das Gralsgeheimnis verstanden wissen möchte. Hinsichtlich dessen wird er in der Mitte der Dichtung besonders deutlich, versteckt sich allerdings sorgsam hinter den imaginären Figuren Kyot de Provençale und Flegitanis. Seine eigenen Kenntnisse aus Kabbalah und Astrologie schreibt er diesen Gewährsmännern zu. Dennoch weisen viele Termini darauf hin, dass Eschenbach selbst ein Mystiker war, dessen Weisheit den Gesang vordergründiger Bänkeldichter um ein Vielfaches überragt.
Der Parzival-Mythos im Tierkreis
Vorgeschichte:
Das Gleichnis von der Elster.
Gahmuret will dem mächtigsten Herrscher dienen und sucht diesen in der Sichtbarkeit.
Seine Gegensatzvereinigung mit der arabischen Weisheit missglückt im Symbol der Ehe mit Belakane und dem gescheckten Spross Feirefiß.
Herzeloyde ehelicht Gahmuret und gebiert nach dessen Tod Parzival, mit dem sie sich in den Wald von Soltane zurückzieht, damit er ohne Rittertum aufwächst.
Widder:
Parival begegnet drei Rittern.
Zieht von Herzeloyde weg, will an den Hof des König Artus.
Erfährt seinen Namen von Sigune.
Stürzt Jeschute in das Unglück.
Tötet den Roten Ither.
Stier:
Er hält an den Kleidern von der Mutter und ihren Ratschlägen fest.
Zwillinge:
Er empfängt Belehrungen von Gurnemanz, wird Ritter,
nimmt aber die schöne Liaze nicht zur Frau.
Krebs:
Parzival lässt die Zügel schleifen.
Befreit Kondwiramur von Belagerern und gewinnt ihre Minne.
Ehelicht Kondwiramur und wird König von Pelrapeire.
Löwe:
Parzival verlässt seine Gemahlin und gelangt zur Gralsburg.
Erlebt das Ritual dort, sieht den kranken Oheim,
fragt jedoch nicht nach seinem Leiden.
Jungfrau:
Er wird am nächsten Morgen unwirtlich verabschiedet.
Seine Base Sigune tadelt ihn wegen der nichtgestellten Frage.
Er stellt die Ehre der Juschute wieder her.
Waage:
Das Augurium im Schnee erinnert ihn an Kondwiramur.
Gawan kommt auf den Plan.
Skorpion:
Am Hof des Artus zeigt Kundrie seine unbewussten Schatten auf.
Parzival legt vor sich selbst das Gelöbnis ab.
Er verlässt die Artus-Runde.
Gawan übernimmt die ritterlichen Handlungen,
während sich Parzival in sein Inneres zurückzieht.
Schütze:
Karfreitag und der Ritter auf Beichtfahrt.
Parzival empfängt die Einweihung in das Mysterium des Grals
und erfährt von seiner Berufung durch den Baumheiligen Trevrizent.
Steinbock:
Gawan befreit 400 gefangene Frauen aus Schastelmarweile.
Das Wunderbett, Lit marveille, als Symbol der Trancearbeit.
Parzival begegnet Feirefiß, seinem gescheckten Bruder.
Wassermann:
Die Berufung Parzivals.
Die zweite Chance auf der Gralsburg.
Fische:
Die erlösende Frage an den Oheim.
Parzival wird Gralskönig und vereint sich wieder mit Kondwiramur.
Feirefiß wird getauft.
Weiterführung:
Parivals Sohn Lohengrin steht im Amt der Gralsritter (und wird nach Brabant entsandt).
Würde es nicht sehr viel besser passen, wenn man bei der Jungfrau, statt mit dem Widder beginnt? Früher galt ja die Jungfrau als das erste Zeichen. Mutter und Kind und Selbstlosigkeit passen viel besser zur Jungfrau. Das Festhalten an Beziehungen und der Ausgleich passt gut zur Waage, aber nicht besonders zum Stier. Parceval als König fällt dann auf den Löwen, der seit jeher für Aufstieg und Königtum gilt.